Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma
einmal, ob er noch lebt.«
»Ich finde es heraus.«
Langley warf die Hände hoch. »Klar, tun Sie das. Ich meine, die Inquisitoren suchen erst seit vier Jahren nach ihm, und sie halten sich schon nicht streng an die Regeln. Die würden einen ordnungsgemäßen Haftbefehl nicht mal dann erkennen, wenn er ihnen auf die Füße pinkelte.«
»Niemand kann vor Mindstar weglaufen, niemals, nicht mal annähernd.« Greg legte bewußt einen drohenden Unterton hinein und genoß es zu sehen, wie er damit Langleys Wichtigtuerei aus vollem Lauf stoppte.
»Greg?« Amanda winkte ihn an ihren Schreibtisch. Er sah, daß der Kubus sich mit Datenseiten gefüllt hatte, verschwommene grüne Zeilen mit einer erkennbaren Instabilität entlang der Y-Achse.
»Was haben Sie herausgefunden?«
»In fünf weiteren gerichtsmedizinischen Büros in England wurden innerhalb von zwei Monaten vor und nach dem Sturz der PSP die Akten vernichtet. In zwei Fällen geschah es durch Brandbomben, in den übrigen dreien durch Netzjockey-Aktionen.«
»Wo ist es zu den Netzjockey-Angriffen gekommen?«
Sie fuhr mit einem Finger am Kubus entlang. »In Gloucester, Canterbury und Hexham.«
»Gut verteilt«, überlegte er.
»Was wollen Sie damit sagen?« fragte Langley.
»Daß das wirklich günstig war; vier Büros im ganzen Land, und eines davon in Oakham, wo wir wissen, daß der Speicherkern einen zweifelhaften Bericht enthielt.«
»Das meinen Sie doch nicht ernst!«
Greg gab ihm einen Klaps auf die Schulter, und Langley sah ihn erschrocken an. Greg wußte, daß der Detective nie an eine Verbindung glauben würde. Er war ein zu guter Polizist. Fakten, Fakten und noch mehr Fakten – das war es, was er brauchte.
Das ist auch, was du brauchst, um Nicholas vom Haken zu bekommen, ermahnte sich Greg ernst.
»Bearbeiten Sie weiter Nicholas«, sagte er. »Ich muß mir für den Rest des Nachmittags Ihren Sergeant Willet ausborgen.«
»In Ordnung.« Langley schien erleichtert, daß nicht mehr von ihm erwartet wurde. »Wozu brauchen Sie ihn?«
»Ich sagte es Ihnen schon: Um Maurice Knebel zu finden.«
Kapitel einundzwanzig
Das Tageslicht schwand bereits, als Eleanor auf der B668 aus Oakham hinausfuhr und bergaufwärts den Weg nach Burley einschlug. Eine Vorhut aus dunklen, kupfergoldenen Wolken, die sich aus Norden herantasteten, hatte bereits den Zenit des Opalhimmels erreicht. Eleanor war aber nicht in Stimmung, um Sonnenuntergänge zu genießen.
Die Rutland Times hatte ihr nicht helfen können. Netzjockeys hatten den Speicherkern zum Absturz gebracht. Der Datenverlust war dort noch schlimmer ausgefallen als beim Stamford and Rutland Mercury; sämtliche früheren Ausgaben waren nämlich vorher von älteren Mikrofiche-Unterlagen in den Kern übertragen worden.
Eleanor hatte gar nicht gewußt, daß die Netzjockeys beim Sturz der PSP so aktiv gewesen waren. Royan hatte mal ein paar Hinweise fallenlassen, daß er zu dem Rudel gehört hatte, das den Mainframe des Ministeriums für Öffentliche Ordnung zum Absturz brachte. Als Faustregel konnte man jedoch feststellen, daß die PSP in ihren zehn Jahren an der Macht bemerkenswert wenig unter elektronischer Sabotage zu leiden hatte. Vielleicht hatten sich die Netzjockeys alle für den abschließenden Sturmangriff aufgespart, obwohl sie das schwer zu glauben fand. Diese Leute waren an und für sich zu unabhängig und wahrten mit Hilfe des gesichtslosen Ringes ihre Anonymität. Man konnte mit ihnen über eine Schaltung Kontakt aufnehmen, die sie ins Datennetz der English Telecom hineingemogelt hatten, aber man erfuhr nie, mit wem man es konkret zu tun hatte.
Der Großrechner des Ministeriums für Öffentliche Ordnung hatte sich ihnen als Ziel angeboten, als letzter Stoß, um eine bereits schwankende Regierung zu stürzen. Es geschah innerhalb einer Stunde nach Detonation der Bombe, die ganz Downing Street auslöschte. Manche Leute hatten über eine Verbindung zwischen dem Netzjockeyring und den Stadtgangs gemunkelt, aber Eleanor hielt das für reine Sensationshascherei, für das Ergebnis eines unbewußten öffentlichen Bedürfnisses, Fakten zu einer einheitlichen Verschwörungstheorie zusammenzubasteln. Die Aktion gegen den Mainframe hatte nicht viel Vorplanung erfordert; die Viren gab es alle schon vorher. Bei den Zeitungen sah das jedoch anders aus. Sie aus ideologischen Gründen zu schädigen setzte voraus, daß man ihre Ausgaben längere Zeit studiert und die Opfer gezielt ausgesucht hatte. Dazu
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