Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma
alle behaupteten. »Nein, Onkel Horace«, sagte sie entschieden. »Eindeutig keine Schauspieler mehr. Erinnerst du dich noch an Greg und Eleanor Mandel?«
»Klar, wer könnte Eleanor vergessen? Greg schien ein netter Kerl, ganz in Ordnung. Ein Übersinnlicher, wie?«
»Ja. Ich habe ihn gebeten, die Polizei im Mordfall Edward Kitchener zu unterstützen.«
Er runzelte die Stirn, und die Falten um seine Augen vertieften sich. »Hast du was damit zu tun?«
»Event Horizon hatte einen Forschungsvertrag mit Kitchener. Ich bete darum, daß das nicht der Grund finden Mord war. Greg wird es für mich herausfinden.«
»Ich verstehe.«
»Aber die Presse setzt ihm übel zu.«
»Na, aber Julia!«
»Ich möchte ja nicht, daß sie aufhören, über den Fall zu berichten«, bemerkte sie schnell. »Wenn sie nur damit aufhören, Greg zu belästigen. Er selbst wollte den Fall ursprünglich gar nicht übernehmen. Wie du weißt, ist er kein Politiker; dafür ist er zu ehrlich. Das letzte, was er gebrauchen kann, ist, daß die Presse ihn bedrängt, nur weil er seine Arbeit tut.«
Horace Jepson seufzte resigniert. »In Ordnung, Julia. Ich sage den Redakteuren, daß sie sich zurückhalten sollen.«
»Onkel Horace, du bist ein Engel!«
»Und ich hätte gern, daß du nächsten Monat zur Eröffnungsfeier eines neuen Programms kommst.« Er tippte außerhalb des Erfassungsbereichs der Kamera auf einer Tastatur. »Es heißt Dreamland Nights, eine zehnteilige Fantasyserie. Das wird eine große Sache, Julia! Der Quotenkönig dieses Sommers.«
»Ich bin da. Versprochen.«
»Cliff organisiert die Party«, ergänzte er hoffnungsvoll.
Ihr zufriedener Gesichtsausdruck schwankte keine Sekunde. Sie war stolz auf diese Selbstbeherrschung. »Das wird nett. Ich habe ihn schon ewig nicht mehr gesehen.« Clifford Jepson war Horaces Sohn aus der ersten seiner vier Ehen. Julia konnte seinen Anblick nicht ertragen; er hatte den Elan seines Vaters, aber nichts von dessen Charme, so daß er den Eindruck verzogener Herrschsüchtigkeit verbreitete. Das Problem war nur, daß sie beide in Onkel Horace’ Augen das perfekte Paar bildeten, mit Horace selbst als Cupido.
»Okay, Julia, mein Stab wird die Einzelheiten an dein Büro übermitteln.«
»Fein. Ich freue mich schon darauf. Und noch mal danke, Onkel Horace.«
Er beendete die Verbindung mit einem glücklichen Lächeln.
Julia machte vor Widerwillen einen Schmollmund. Eleanors Problem war gelöst, aber sie hatte jetzt keine Möglichkeit mehr, sich vor dieser verfluchten Programmfeier zu drücken.
Kapitel sieben
Die Befragungen bildeten den Teil des Falls, vor dem es Greg schon die ganze Zeit gegraut hatte. Das Spiel mit den Wortassoziationen, die Konzentration darauf, wie die Gedanken der Befragten auf Schlüsselwendungen reagierten, das alles war zu eng mit Gregs Zeit in der Armee verbunden. Es erinnerte ihn an trübselige Bunker, an schwitzende, trotzige Gefangene in zerrissenen Kampfanzügen, den Geruch von Waffenöl und Erbrochenem, die spannungsgeladenen Gefühle des Hasses und der Angst, die sogar für nicht übersinnlich begabte wahrnehmbar waren. Die scheinbar grenzenlose Brutalität, zu der Menschen fähig waren.
Sogar der Verhörraum der Polizeiwache von Oakham erweckte Assoziationen zu dieser Vorgeschichte; triste beige Wände, ein bleigrauer Tisch, schmerzhaft geformte Plastikstühle, eine abgewetzte schwarze Tür. Das rechteckige Gitter der Klimaanlage verbreitete einen lästigen Summton direkt an der Wahrnehmungsschwelle. Stählernes Licht, das durch ein hohes Fenster hereinfiel, wurde durch den grellen Schein zweier Bioleuchttafeln ergänzt, die in den Nischen für die alten Leuchtstoffröhren in der Decke angebracht waren. Eine Weitwinkelkamera war an der Wand über dem Schreibtisch montiert, und ein optisches Kabel führte zu einem Doppelkristall-Videoaufnahmedeck.
Greg setzte sich an den Tisch, flankiert von Langley und Nevin. Er holte sein Cybofax hervor, rief die Liste der Fragen auf, die er stellen wollte, und plazierte es auf dem Tisch.
Rosette Harding-Clarke trat ein, begleitet von ihrem Anwalt Matthew Slater. Seit die Neokonservativen gewählt worden waren, hatte jeder, der von der Polizei verhört wurde, Anspruch auf einen Rechtsbeistand, egal ob er nun beschuldigt wurde oder nicht. Diese Maßnahme sollte das öffentliche Mißtrauen wegen der zweifelhaften Praktiken zerstreuen, die die Volkspolizei in die polizeilichen Verfahrensweisen aufgenommen hatte.
Von
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