Mindstar 03 - Die Nano-Blume
sie dir gesagt haben, daß Baronski tot ist.«
»Fabian.« Sie drehte ihn zu sich um und legte ihm die Hände auf die Wangen, damit er nicht wegsehen konnte. »Das Geld deines Vaters war nie der Grund für die ganze Zeit, die wir miteinander verbracht haben.«
Er brach in Tränen aus, während seine Lippen lächelten.
»O Fabian.« Sie drückte ihn an sich und küßte ihn auf den Kopf. Er umarmte sie mit der Kraft der Verzweiflung.
»Ich habe Angst«, krächzte er.
»Ich auch. Aber es ist nicht mehr so schlimm, wenn man die Angst mit jemandem teilen kann.«
Sie blieben lange Zeit Arm in Arm. Ihm so nahe zu sein, ohne Worte, aber alles verstehend, war etwas, woraus sie sich am liebsten nicht mehr gelöst hätte. Und sie hatte ihm die Wahrheit gesagt: Die Angst war so leichter zu überstehen.
Sie sah die Pegasus aus dem Himmel im Westen herabsinken, während drei Jäger mit zugespitzten Schnauzen sich in einer engen Formation um sie schlossen. Sie nahm direkten Kurs auf die Plattform. Charlotte sah ihnen zu, wußte, wer sie waren, und leichte Spannung breitete sich in ihr aus.
Josh Baileys Cybofax piepte.
»Machen Sie sich nicht die Mühe«, sagte sie zu ihm. »Die kommen meinetwegen.«
Fabian folgte ihr mechanisch. Beinahe wurde das zum Problem, als sie den Konferenzraum erreichten, denn Josh Bailey erweckte den Eindruck, er würde gleich Einwände erheben. Charlotte übermittelte ihm jedoch eine lautlose Bitte, und er zuckte die Achseln und winkte sie beide durch die Tür.
Dort traf sie endlich Julia Evans in leibhaftiger Gestalt, schüttelte ihr die Hand und sagte tatsächlich sogar hallo, wenn auch mit beunruhigend bebender Stimme. Die Rückseiten ihrer Beine zitterten leicht, als hätte sie einen Marathonlauf hinter sich. Aber Julia Evans lächelte nur schwach und murmelte ein paar aufmunternde Worte. Charlotte floh förmlich zu ihrem Platz am Tisch und setzte sich erleichtert. Sie bekam keine der erwarteten Anschuldigungen zu hören und begegnete keiner Feindseligkeit. Julia Evans gab ihr für keine ihrer Schwierigkeiten die Schuld. Charlotte sah unauffällig zu, wie Julia Evans etwas zu Fabian sagte und dabei mit dem Finger an dem abklingenden blauen Auge vorbeifuhr, das ihm das Zimmermädchen verpaßt hatte. Die Ärzte in der Klinik hatten die Schwellung fast völlig beseitigt. Fabian wurde einfach nur rot und blickte zu Boden.
Charlotte saß neben Suzi, die schon vor ihnen eingetroffen war. Die kleine Hardlinerin trug einen Trainingsanzug des Sicherheitsteams von Event Horizon. Am Knie beulte sich der Stoff leicht aus, aber Suzi hatte schon wieder eine recht natürliche Gangart gezeigt.
Rick Parnell stellte sich vor und setzte sich prompt auf einen Stuhl am Ende des Tisches, womit er Greg knapp zuvor kam. Greg wirkte für einen Moment verärgert, nahm aber dann den nächsten Stuhl. Victor Tyo setzte sich Charlotte gegenüber und schaltete das Terminal vor sich ein.
Fabian nahm den Stuhl neben ihr und tastete unter dem Tisch nach ihrer Hand. Sie drückte ihm kurz die Hand, um ihn zu beruhigen.
Die drei Flachbildschirme an der Wand wurden hell, als Julia sich ans Kopfende des Tisches setzte. Einer zeigte das Gesicht eines alten Mannes, die anderen beiden das von Julia selbst, aber alle waren sie ohne Hintergrund.
»Es sind synthetische Bilder«, erklärte Julia. »Mein Großvater und ich haben unsere Erinnerungen in Neuralnetzkernen gespeichert.«
Philip Evans. Charlotte erinnerte sich an ihn, den Gründer von Event Horizon. Sie hatte genug abendliche Plauderrunden miterlebt, um zu wissen, daß er wesentlich am Sturz der SVP beteiligt gewesen war.
Die ganze Vorstellung war erstaunlich. Julia konnte an zwei Stellen zugleich sein, an dreien, an vieren … Kein Wunder, daß Event Horizon so perfekt funktionierte. Charlotte stellte fest, wie sich auf ihren Lippen ein Lächeln der Bewunderung formte. Es stimmte wirklich, niemand konnte Julia Evans übertreffen. Die Wirklichkeit war glatt noch großartiger als die Legende.
»So haben Sie sich also in die Ware der Colonel Maitland hineingebrannt«, sagte Fabian. Er klang beeindruckt.
»Ja. Und ich wäre dankbar, wenn Sie beide die Existenz der NN-Kerne und alles, was wir heute besprechen, vollständig vertraulich behandeln, bitte.«
»Ja, natürlich«, sagte Charlotte und versetzte Fabian einen Stups.
»Ja«, stimmte er zu.
»Gut. Also, wie ich gehört habe, hat Nia Korovilla Sie nach der Blume gefragt, Charlotte.«
»Ja, sie wollte wissen,
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