Mindstar 03 - Die Nano-Blume
Wohltätigkeitsaktion aus dem amerikanischen Bibelgürtel. Die Bewohner hatten im Sterben gelegen, aber jetzt zeigten die Flachbildschirme gesunde Kinder, fettes Rindvieh, Gemüse in Hydrotrögen. Eine Oase, umgeben von totem Land, von einer dermaßen ausgetrockneten Erde, daß sie längst zu Staub zerfallen war. Die Luft war völlig unbewegt, seit Jahren schon, eine zehn Jahre alte Kalmenzone. Draußen, außerhalb des Dorfes, lagen Knochen herum, von Rindern, Ziegen, Hühnern, platinweiß gebleicht, halb vergraben in den langsam ansteigenden Dünen, umringt von Geierskeletten.
Das Nachrichtenteam war vor Ort gewesen, weil der Häuptling den kirchlichen Techniker umgebracht hatte, der für die Installation der Matten zuständig war. Ein Hundertjähriger mit runzeliger, ledriger Haut, vorstehenden Knochen, einem zerlumpten alten Lendentuch, die verkörperte Weisheit des Landes. Er blickte mit geklonten schwarzen Augen unerschrocken und verächtlich in die Kamera. »Wieso habt ihr das getan?« fragte er. »Erst habt ihr die Luft mit eurer Habgier ermordet, und jetzt bringt ihr uns Maschinen, die Wasser aus dem Nichts holen. Ihr habt unsere Agonie verlängert. Wir leben zum Preis eures Mitgefühls, von Münzen, die ihr wegwerft. Elende Bettler, deren Frömmigkeit und Not ihre einzige Waffe ist. Wir sind zu Opfern ewigen Mitgefühls herabgesunken. Wenn ihr wirklich Mitleid mit uns habt, gebt uns die Abhängigkeit vom Wetter zurück. Bringt den Regen und den Wind zurück. Dann können alle Menschen in ihrer Abhängigkeit wieder gleich sein.«
Julia hatte verstanden, was der Häuptling meinte, wie er sich fühlte. Die unverschämte Demütigung durch die Abhängigkeit von einer Technik, die er nicht mal in Ansätzen verstehen konnte, ein Geschenk von Menschen, die er nicht kannte, ein Geschenk, das ihn und seine Verwandten fast zu so etwas wie beweglicher Habe herabwürdigte. Eine primitive Kultur, bewahrt von einer gottähnlichen Wissenschaft, einem wegwerfenden Akt der Barmherzigkeit. Er hatte den letzten Rest Würde verloren und führte ein Leben, das von Launen außerhalb seiner Kontrolle abhing. Den Launen einer Kultur, die sein Land für ihre eigene Bequemlichkeit zerstört hatte. Unverzeihlich.
Primitive Kulturen wurden stets von fortgeschrittenen Kulturen aufgesaugt. Ihre Werte verdrängt und letztlich zerstört. Ein fundamentales Naturgesetz. Und Julias eigenen Genlabors zufolge waren die Außerirdischen den Menschen in der Entwicklung Milliarden Jahre voraus.
Und da waren die Kondensatormatten wieder: die atomare Strukturierung. Und jetzt war Julia die Dorfbäuerin. Gregs russischer General hatte die richtige Idee, dachte sie, die gleiche wie der Häuptling.
Die Pegasus senkte sich elegant auf die Schlammflächen der Halbinsel Hambleton und landete schließlich in einem leichten Winkel, wobei sie mit der Schnauze hinauf zum Haus des Mandelhofes wies. Julia packte Matthew, als die Bodenluke aufging. »Jetzt hör mal zu; deine Tante Eleanor ist schwanger, und das heißt, daß du ihr nicht die leisesten Schwierigkeiten machen wirst! Du tust genau das, was man von dir verlangt, und du tust es, ohne dich zu beschweren und Einwände zu erheben. Verstanden?«
Sein Gesicht war ein Abbild verletzter Unschuld. »Mammi!«
»Hast du das verstanden?«
»Ja.«
Ihre Augen wurden schmal.
»Wirklich«, sagte er.
»In Ordnung.«
Im Zitrusbestand brodelte Aktivität. Leute und Handkarren und Traktoren bewegten sich dort, und kleine Kinder liefen unter den Bäumen herum. Rufe und Liederfetzen trieben den Hang hinunter bis dorthin, wie Julia über die Kalksteinbrocken kletterte. Die Düfte von Kochstellen und der Geruch geschnittenen Grases vermischten sich in der schwülen Luft. Unmittelbar an der Talsperre war die Feuchtigkeit schlimm. Julia sah, daß die Reisenden samt und sonders Hüte und Mützen trugen und die Männer bis auf die Hüften nackt waren. Sie zog die Aufmerksamkeit eines ansehnlichen Publikums auf sich.
Oliver und Anita kamen in Begleitung von fünf weiteren Kids den Hang herunter, um die Gäste zu empfangen. Daniella und Matthew gesellten sich zu ihnen, und gemeinsam machten sie sich zu dem Feld auf, wo die Pkws und die Transporter parkten. Zwei Sicherheitshardliner in legerer Kleidung folgten ihnen.
Drei Hardliner begleiteten Julia zum Bauernhaus hinauf, und zwei von ihnen trugen die Taschen der Kinder. Ein Laster mit sechzehn Rädern parkte auf dem Hof vor dem Haus. Zwei Männer beluden ihn mit
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