Mindstar 03 - Die Nano-Blume
Originale geheftet hatten. Die letzte Schale öffnete sich und legte eine einzelne Molekülkugel in ihrem Zentrum frei, deren einzelne Atome in so etwas wie einem geodätischen Gerüst angeordnet waren. Dann trennten sich alle Zwillingstoroide. Zwei vollständige Sets der entfalteten Gene waren jetzt in der ganzen Zelle verteilt. Julia fand, es sah so aus, als wäre die Membran von zwei zerknautschten Ölflecken ausgefüllt, die nicht miteinander verschmelzen konnten und unaufhörlich umeinander glitten. Dann zogen sie sich zusammen. Es war die Umkehrung der Entfaltung; die Schalensegmente kombinierten sich mit verblüffender Schnelligkeit, webten sich in einem vollkommen synchronisierten Tanz umeinander und schnappten zu.
Julia ließ das alles ohne Widerspruch über sich ergehen, war ganz in der Komplexität und Dynamik des Geschehens versunken. Das auf seine Bausteine reduzierte Leben, dessen Stoff großartiger war als jede von Menschen erbaute Kathedrale. Royan hatte recht: Es war schwer zu glauben, daß die Natur, der Zufall diesen chemischen Mechanismus ohne jede Hilfe hervorbringen konnte.
Schließlich waren zwei Gensphären vorhanden, deren Kernmembranen sich allmählich um sie herum verdickten. Die Zelle zog sich in die Länge, und die beiden Nuklei rückten auseinander. Auf halbem Weg erfolgte eine Einschnürung. Dann waren zwei Zellen da, die sich gerade noch berührten.
Faszinierend, nicht wahr? fragte Royan in einem hohlen Tonfall.
Ich habe schon terrestrische Zellvermehrung gesehen. Das hier läuft auch nicht anders. Die Evolution findet offensichtlich jedesmal die einfachste Lösung auf ein Problem. Eine galaktische Konstante. Sie betrachtete die beiden Zellen; die Organellen wirkten jetzt fester, kompakter. Schwarze Ringe durchfluteten allmählich wieder jeden der Zellkerne.
Du bist sehr zynisch geworden, meinte Royan. Wichtig bei all dem ist, daß das zweite Zellenmuster lebensfähig ist. Ich habe nur die erste Zellteilung angestoßen; wie du siehst, setzt sich der Vermehrungsmechanismus von selbst fort.
Und ist zu einer Pflanze angewachsen, sagte sie. Einer Pflanze, die wie eine Kreuzung von Farn und Kaktus aussieht.
Woher weißt du das?
Du hattest sie bei dir, als du die Nordseefarm verlassen hast.
Oh. Man konnte ja erwarten, daß Victor das herausfindet. Ein gescheiter Mann, das.
Was möchtest du mit all dem beweisen? fragte sie.
Komm schon, Schneeglöckchen! Die zweite Schale war eine komplett neue Spezies! Findest du das nicht auch unglaublich toll? Die außerirdischen Gene sind in einer numerischen Reihe angeordnet. Seit wann regiert die Mathematik die Natur?
Leben ist Chemie, entgegnete sie. Man kann letztlich alles auf Zahlen und Formeln zurückführen. Das sind Gene schließlich, chemische Zahlen. Die genetische Struktur der Mikroben ist eleganter als unsere; das kann man bei einer Lebensform, die Milliarden Jahre weiter fortgeschritten ist als wir, auch erwarten. Die Pflanze aus der zweiten Schale ist wahrscheinlich die Gestalt, aus der sich die Mikroben entwickelt haben. Menschliche DNA enthält allerlei rudimentäre Codes – von Schwänzen oder Pelzen –, und unseren Blinddarm sind wir immer noch nicht los.
Auf keinen Fall, Schneeglöckchen. Nichts, was so komplex wie eine Pflanze ist, kann sich in einer Generation zu einer Mikrobe entwickeln.
Die Ringsequenz der Außenschale enthält doch diesen ganzen Müll. Wieviel, hast du gesagt? Neunzig Prozent? Das steht wohl für die Zwischenstadien, den Übergangsprozeß; der Müll muß schließlich irgendwoher stammen.
Möglich, aber es ist trotzdem sehr merkwürdig.
Was ist mit der dritten Schale? fragte sie. Hast du auch versucht, sie zu klonen?
Nicht bis zu dieser Aufzeichnung; ich hatte noch nicht genug Zeit dafür. Vielleicht habe ich ein bißchen Angst. Diese Pflanze hat mich beunruhigt, Schneeglöckchen. Sie dürfte nicht existieren, wirklich nicht.
Hat sie geblüht, Royan? Hat dich die Blüte an uns erinnert, daran, wie wir früher waren?
Eine Knospe hat sich gebildet, als ich die Meeresfarm verließ. Mehr weiß ich nicht.
Du hast mir eine Blume geschickt.
Weil ich dich liebe.
Nein, es war eine Warnung, wie diese ganzen Persönlichkeitspakete. Wovor könntest du mich gewarnt haben? Der Asteroidensaatpflanze? Was ist aus diesem Projekt geworden?
War ein Erfolg, denke ich. Ich habe modifizierte Mikroben in einer Symbiose mit genmanipulierten Landkorallen benutzt.
Das Bild sprang wieder um. Sie wurde seine virtuose
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