Mindstar 03 - Die Nano-Blume
Greg Mandels Standort am Tor zum Campingplatz sah alles nach richtigem Karneval aus. Greg genoß die ersten beiden Juliwochen immer – die sengende Hitze, die reifen Früchte in den Gehölzen, die Mahlzeiten am Lagerfeuer, Musik und Tanz unter den Sternen. Gelegentlich gab es sogar Tage, an denen etwas geerntet wurde.
»Fahren Sie durch!« schrie er dem Fahrer in der Kabine des Sattelschleppers zu. Das Fahrzeug beruhte auf dem Chassis eines ausgemusterten AT-Haulers der Armee, war acht Meter lang und hatte sechs Rädersätze. Es rumpelte aufs Feld und zog dabei tiefe Furchen durch den Schlamm.
»Wie viele haben wir damit?« fragte Greg Christine, seine älteste Tochter.
»Neunzehn. Und noch Platz für viele mehr, kein Vertun.« Sie lächelte glücklich. Die zwei Erntezeiten im Jahr waren tolle Zeiten für die vier Mandelkinder. Neue Gesichter, alte Freunde, keine Schule, langes Aufbleiben und zusätzliches Taschengeld für die Hilfe bei der Ernte.
»Wie viele Arbeitsgruppen möchten Sie dieses Jahr einsetzen?« wollte Derek Peters wissen. Er stand neben Greg und war ein grauhaariger alter Familienboß in Latzhose und mit rundem Filzhut. Er war vor sechzehn Jahren als erster aufgetaucht und hatte Arbeit gesucht, als Greg und Eleanor auf die heruntergekommene Farm zogen. Seitdem war er jedesmal gekommen, im Sommer für die Apfelsinen und Limonen, im November für die kleinere Mandarinenernte. Er kannte die meisten Reisenden und gab Greg Empfehlungen, wen er nehmen sollte und wer nur Ärger machte.
»Etwa fünfunddreißig«, sagte Greg. »Damit müßten wir es schaffen. Das Ostgehölz hat dieses Jahr kräftig geblüht.«
»Sie erreichen noch das Niveau eines Kombinats«, meinte Derek.
Greg zuckte die Achseln, freute sich aber insgeheim über das Lob. In dem Jahr, als er und Eleanor mit der Umwandlung der alten Weiden des Hofes begannen, kämpfte er sich damit ab, zwei Gehölze rechtzeitig für die Ernte anzupflanzen; inzwischen hatte er fast fünfzig Hektar der Halbinsel Hambleton mit genmanipulierten Zitrusbäumen bedeckt, allesamt auf dem erstklassigen Südhang, wo sie das meiste Sonnenlicht erhielten.
Auf der Halbinsel gab es elf weitere Zitrusplantagen, die das überreiche Bewässerungsangebot der Talsperre für die durstigen Bäume nutzten. Die Mandelplantage war jedoch locker die größte, was bedeutete, daß Greg unweigerlich zum Vorsitzenden der örtlichen Zitrusfarmervereinigung gewählt wurde. Sein gemütlicher Lebensstil, seine Ehrbarkeit waren etwas, was er selbst mit reichlich Ironie betrachtete. Nicht, daß er jemals auf die Idee gekommen wäre, die Plantage wieder aufzugeben; heute nicht mehr.
Als er und Eleanor ihr neues Zuhause auf der Halbinsel bezogen, war er noch keineswegs sicher gewesen, ob er das wirklich wollte. Bis dahin war sein Leben fast gänzlich dem Kampf oder Konflikten der einen oder anderen Art gewidmet gewesen. Er war Berufssoldat, war mit achtzehn zur Armee gegangen und hatte in einem Fallschirmjägerregiment gedient, bis er beim Psi-Einstufungstest für alle Dienstgattungen als ASW-positiv abschnitt, woraufhin er schnurstracks zur neu aufgestellten Mindstar Brigade versetzt wurde. Nach der Armee kamen die Trinities und ein hitziges, brutales Jahrzehnt, in dem es hieß, auf den Straßen von Peterborough die Sache mit den Volkspolizisten auszutragen. Anders als die meisten Trinities bemühte er sich jedoch nach dem Sturz der SVP darum, sich von der Vergangenheit zu lösen; er lebte in einem Chalet, das zu einer alten Timesharing-Siedlung am Ufer der Talsperre gehörte, und versuchte, als Privatdetektiv über die Runden zu kommen, eine Aufgabe, für die er mit seiner außersinnlichen Wahrnehmung ideal geeignet war.
Zwei Jahre lang plagte er sich mit einzelnen, schlecht bezahlten Fällen herum und ertrug einsame Junggesellennächte. Zwei Jahre bemühte er sich, einen Ruf für Professionalität und Kompetenz zu erwerben. Und schließlich zahlte es sich aus. Er wurde von Event Horizon beauftragt, die Quelle eines Sicherheitsverstoßes in ihrer Orbitalfabrik ausfindig zu machen. Der Fall wurde immer umfangreicher und komplexer, bis sich Greg letztlich mit einigen SVP-Überresten konfrontiert sah, die ein Virus in Philip Evans’ NN-Kern eingespeist hatten. Zur gleichen Zeit trat Eleanor in sein Leben. Die beiden Ereignisse krempelten gemeinschaftlich seine Welt dermaßen um, daß er sie nicht wiedererkannte.
Eine extrem dankbare Julia zahlte ihm eine lachhaft riesige Summe
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