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Minerva - sTdH 1

Minerva - sTdH 1

Titel: Minerva - sTdH 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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in Hopeworth war, so
nervös und unbesonnen machten sie die vollen Straßen der Grafschaftshauptstadt.
Zweimal schlug sie die verkehrte Richtung ein, zweimal mußte sie auf die Seite
gehen, weil eine Gruppe von grölenden Männern versuchte, ihr den Weg
abzusperren.
    Schließlich
befand sie sich in der Hauptstraße und eilte auf den Gasthof zu.
    Am Portal
standen ein paar elegante Leute: drei Herren und zwei Damen.
    Die Herren
waren ebenso wie die Damen erstklassig angezogen. Sie wirkten allesamt so groß
und so großartig, daß sich Minerva ganz klein und bieder vorkam.
    Sie wollte
gerade an der Gruppe vorbeischlüpfen, als einer der Männer sich umdrehte und
ihr voll ins Gesicht schaute.
    Aus
irgendeinem Grund stockte ihr plötzlich der Atem. Sie verlor die Fassung, und
ihre Hände begannen zu zittern – bevor sie recht wußte, wie ihr geschah, hatte
sie sämtliche Päckchen fallen lassen.
    Ohne
abzuwarten, ob ihr jemand half, bückte sie sich, um ihre Besitztümer wieder
einzusammeln.
    Eine hohe,
verdrießliche Frauenstimme drang an ihr Ohr. »Wenn ich so ein ungeschicktes
Mädchen hätte, würde ich es auf der Stelle entlassen.«
    Als Minerva
bei dieser Demütigung errötete, hörte sie ganz nahe eine fröhliche
Männerstimme: »Aber geh, Amaryllis. Ein Hausmädchen hätte doch nie so einen
bezaubernden Hut. Erlauben Sie, gnädiges Fräulein.«
    Halb über
ihre Päckchen gebückt, merkte Minerva, daß sich der größte von den Männern
ebenfalls bückte, um ihr zu helfen, während seine Begleiter zuschauten.
    »Da«, sagte
er in einem etwas schleppenden Tonfall. »Ich glaube, ich habe sie alle,
gnädiges Fräulein, abgesehen von denen, die Sie selbst haben. Ganz schön
anstrengende Beschäftigung, all die Päckchen zusammenzubringen, was!«
    Minerva
richtete sich gleichzeitig mit dem Herrn auf und schaute in zwei katzengrüne
Augen, die unbewegt auf sie herabblickten. Während er mit der einen Hand ihre
Päckchen an sich drückte, zog er mit der anderen seinen Biberhut und machte
eine tiefe Verbeugung vor ihr. Sein Haar glänzte im Schein der Gasthoflaterne;
es war gelockt und pomadisiert und es duftete. Er trug einen blauen
›Schwalbenschwanz‹ mit silbernen Knöpfen über Lederhosen und dazu
glänzende schwarze Reitstiefel mit übermütigen kleinen Quasten. Sein Mund war
schön geschnitten, zu schön für einen Mann. Seine ziemlich schweren Lider gaben
ihm ein leicht zerstreutes Aussehen. Die Hände, die die Päckchen und den Hut
hielten, waren lang und sehr weiß; die Fingernägel waren poliert.
    Sein
Leinenhemd war so fein, daß es fast durchsichtig war. Die Kanten waren gerüscht
und zart bestickt.
    Diese
Mischung aus erstklassiger Schneider-, Barbier- und Manikürkunst strömte etwas
Ehrfurchtgebietendes aus. Minerva empfand den Mann als dekadent, abstoßend und,
jawohl, auch als fremdartig.
    »Ich komme
gleich wieder«, sagte dieser wie aus dem Ei gepellte Herr zu seinen Freunden,
ohne Minervas Gesicht aus den
Augen zu lassen. »Ich begleite diese Dame in den Gasthof und helfe ihr, ihre
Einkäufe zu verstauen. Erlauben Sie, gnädiges Fräulein.«
    »Wirklich,
Sylvester«, erwiderte eine der Damen. »Hast du nichts Besseres zu tun als den
Dienstburschen für Bauerntrampel zu spielen? Wir sollten so bald wie möglich
zurückfahren. Ich jedenfalls habe keine Lust, die Nacht hier zu verbringen.«
    »Lassen Sie
mich in Ruhe, Sie alle«, fauchte Minerva, der es jetzt endgültig reichte,
wutentbrannt.
    »Ihr habt
gehört, was die Dame gesagt hat«, sagte der große Herr mit dem schleppenden
Tonfall. »Ihr sollt uns in Ruhe lassen. Nun, gnädiges Fräulein, wenn Sie erlauben ...«
    Er ging auf
den Gasthof zu, und Minerva hatte Mühe, ihm zu folgen. »Für diese Beleidigung
werden Sie meinem Vater Rede und Antwort stehen«, schimpfte sie in scharfem
Ton.
    »Entzückt
seine Bekanntschaft zu machen, gnädiges Fräulein«, kam die lässige Antwort.
»Vielleicht bleibe ich doch noch hier.«
    Minervas
Gewissen regte sich. Sie war unfair. Dieser Mann hatte sie nicht beleidigt, nur
seine Begleiter, aber das war etwas anderes.
    Es war ihre
Christenpflicht, sich zu entschuldigen.
    Minerva
scheute an der Eingangstür des Gasthofs kurz zurück. Er schien voll von wilder,
betrunkener Männlichkeit zu sein. Ihr Begleiter hielt ihre Päckchen, während
sie in die Kaffeestube, die Schenke und die Gaststube schaute. Vom Pfarrer
keine Spur!
    Ihre Augen
brannten vom Tabakrauch, ihre Ohren waren taub vom Lärm, die niedrigen

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