Minerva - sTdH 1
ist, mit der ich zusammenkommen soll, wenn ich in London in die
Gesellschaft eingeführt werde, dann gehe ich lieber nicht«, sagte Minerva und
setzte ihren Hut ab.
»Ach,
komm«, sagte der Pfarrer streng. »Ich zwinge dich ja nicht, ihn heute abend zu
heiraten. Ich will ihm einen der Braunen verkaufen, auf die er ein Auge
geworfen hat. Er sagt, daß auf dem ganzen Markt kein Pferd so gut war, und das
stimmt. Er zahlt gut, ich möchte deshalb nicht, daß du dich zierst wie eine
alte Jungfer. Wenn du ihn nicht magst, sag gar nichts. Er kann dir in London
ganz gewaltig schaden, wenn er dich nicht leiden kann.«
»Ich mag
Dandys nicht«, sagte Minerva langsam.
»Nun mal
langsam. Er ist kein Dandy, und du sollst ihn auch nicht so nennen, ja? Er ist
durch und durch in Ordnung. Abgesehen von Alvaney würde ich auch keinen von
den Dandys zu mir einladen.«
»Mama macht
sich sicher Sorgen, wenn wir nicht nach Hause kommen.«
»Nein, weil
ich bereits einen Jungen ins Pfarrhaus geschickt habe, der unsere Kleidung
holt. Wir bleiben über Nacht hier, und damit basta! Ich rieche Schneeluft, aber
hoffentlich hält es noch bis morgen durch. Pscht! Ich höre Schritte auf der
Treppe.«
Die Tür
öffnete sich, und Lord Sylvester betrachtete den Pfarrer und dessen Tochter
durch sein Monokel. Dann ließ er es fallen und kam langsam herein.
Minerva
verstand nicht, warum sie diesen Mann so wenig mochte, aber jedenfalls mochte
sie ihn nicht.
Trotzdem
brachte sie es fertig, während des Essens einen hübschen Anblick zu bieten,
während sich die beiden Männer über Pferde und Stammbäume unterhielten. Bevor
sie sich hinsetzte, hatte sie einen Blick in den Spiegel geworfen und war sich
deshalb ihres guten Aussehens sicher. Die Kälte am Nachmittag ließ ihre Wangen
erblühen, und ihr schwarzes Haar glänzte vor Gesundheit. Aber kein einziges Mal
schaute Lord Sylvester zu ihr, und Minerva konnte sich selbst nicht erklären,
warum sie sich nach einiger Zeit darüber ärgerte.
Und doch
spürte sie, wie seine Gedanken um sie kreisten. Sie spürte, daß er sie
irgendwie beobachtete, auch wenn er nicht in ihre Richtung blickte. Vielleicht
bildete sie es sich auch nur ein, weil der mit Brandy verstärkte Wein schwer
und der Raum überhitzt war. Aber während des weiteren Verlaufs der Mahlzeit
wurde sie zunehmend nervöser, so daß sie, als er sie schließlich doch ansprach,
ihre Gabel mit lautem Geklappere auf den Teller fallen ließ.
»Ich höre,
wir haben das Vergnügen, Sie in der nächsten Saison in London zu sehen, Miß
Armitage?«
»Ja,
Mylord.«
»Und freuen
Sie sich schon auf all die Bälle und Gesellschaften?«
Ein
kindischer Wunsch, anders zu sein und Eindruck zu machen, überkam Minerva.
»Nein,
Mylord«, sagte sie. »Ich wollte, ich könnte zu Hause bleiben, mich um meine
Brüder und Schwestern kümmern und mich für die Bedürfnisse der Gemeindemitglieder
einsetzen. Indem wir anderen helfen, machen wir uns selbst am meisten Freude.«
»In der
Tat! Warum sich dann in das genüßliche Londoner Leben stürzen, wenn Sie sich
so gerne für andere aufopfern?«
»Ich muß«,
antwortete Minerva und schlug die Augen nieder ... schon wieder eine
unerfreuliche Begleiterscheinung ihrer Geziertheit. »Meine Familie verlangt es
von mir.«
»Warum?«
Minerva
begegnete den beschwörenden Blicken ihres Vaters und wurde rot. Sie konnte
unmöglich erklären, daß sie sich einen reichen Mann angeln sollte, um die
Finanzen der Armitages zu retten.
Sie biß
sich auf die Lippen und sagte gar nichts.
»Ich
meine«, beharrte diese aufreizende Stimme, »man könnte glatt denken, Sie werden
gezwungen zu gehen. Ist das der Fall?«
»Es muß eine
Möglichkeit geben, das Gebell wegzuzüchten, ohne dabei etwas anderes
rauszuzüchten«, sagte der Pfarrer, rücksichtslos das Thema wechselnd. »Mostyns
Hunde sind in dieser Hinsicht ganz was Besonderes. Aber Beauforts Meute würde
Ihr Herz schneller schlagen lassen – die beste Meute in England nach Belvoir.«
Lord
Sylvester nahm den Faden der Unterhaltung wieder auf und kehrte zum Jagen
zurück. Bald blieb Minerva keine andere Wahl, als sich auf ihr Zimmer
zurückzuziehen und die Herren ihrem Portwein zu überlassen.
»Deine
Siebensachen sind in Zimmer sechs«, sagte ihr Vater. »Ich bin in Zimmer zwei,
falls du etwas brauchst. Wir bleiben nicht mehr lange auf. Ich bin müde und
seine Lordschaft sicherlich auch.«
Minerva
küßte ihn auf die Wange und knickste vor Lord Sylvester, der sich
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