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Minerva - sTdH 1

Minerva - sTdH 1

Titel: Minerva - sTdH 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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Miß Armitage allzu unbeweglich«, sagte Lady Aubryns boshaft. Sie hatte
bereits von Minervas Moralpredigten gehört.
    Sie war
eine unscheinbare, plumpe Frau mit zwei unscheinbaren, plumpen Töchtern, und
so war sie nicht übermäßig von schönen Debütantinnen begeistert.
    Lady
Aubryns rief einen Bediensteten herbei und gab Anweisungen.
    Lord
Sylvester, der Minerva für ihre Begriffe unnötig fest an sich drückte, ging
hinter dem Lakaien her und setzte Minerva in einem kleinen Empfangsraum ab.
    Ihr Retter
wartete, bis der Lakai gegangen war, dann griff er in seine Tasche und brachte
zwei schlaffe, grauwollene Läppchen zum Vorschein, die Minervas Strumpfbänder
waren.
    Vor Zorn
rot anlaufend, riß Minerva sie ihm aus der Hand und wartete darauf, daß er
ging.
    Da er neben
dem Sofa stehen blieb, auf das er sie gesetzt hatte, hatte Minerva das Gefühl,
daß sie sich bedanken müßte. Sie tat es so abweisend, daß es sogar in ihren
Ohren reichlich schroff und wenig nett klang.
    »Sprechen
wir nicht mehr darüber«, sagte der sie ständig aus der Fassung bringende Lord.
»Brauchen Sie Hilfe?«
    »Mylord«,
antwortete Minerva mit feuerrotem Gesicht. »Ich weiß es zu schätzen, daß Sie
mir zuliebe gelogen haben. Ich bin jedoch der Meinung, daß meine Lage peinlich
genug ist. Bitte verlassen Sie mich, während ich ... während ich den Schaden
wiedergutmache.«
    »Schon,
aber wir müssen den Schein wahren, wissen Sie. Wenn Sie hinter den Wandschirm
gehen, können Sie sich Ihr Erröten schenken. Ich geleite Sie dann in den
Eßsalon, wo wir uns angenehm unterhalten können.«
    »Sie sind
äußerst freundlich, Mylord, aber ich bitte Sie dringend, mich allein zu lassen.
Sie haben genug getan. Glauben Sie nicht, ich bin undankbar, aber ...«
    »Aber da
Sie jetzt nicht tanzen können, ist es Ihnen denn lieber, den Rest des Abends
mit den Matronen und Mauerblümchen an der Wand sitzend zu verbringen?«
    Minerva
ließ den Kopf hängen. Sie wußte, daß sie sich sehr unbeliebt gemacht hatte. Sie
würde Höllenqualen leiden, wenn sie da saß und von all diesen glücklichen Mädchen
bemitleidet wurde. Sie hatte die scharfen, neidischen Blicke in ihre Richtung
wohl gesehen, als sie mit Lord Sylvester die Tanzfläche betrat, und sie war
Frau genug, um sie zu genießen.
    Alles in
allem fühlte sie sich sehr verunsichert und sehr jung. In Hopeworth, wo die
Bedürfnisse der anderen, ihrer Pfarrkinder und ihrer Familie, sie davor
bewahrten, hatte sie wirklich nicht viel Zeit zur Seelenforschung. Ihre Geschwister
beklagten sich gelegentlich, aber sie stellten ihre Überlegenheit nie in Frage.
Die meisten Gemeindemitglieder freuten sich über den Besuch der
Pfarrerstochter, da Minervas Hilfe – um ihr gerecht zu werden – oft mehr
praktischer als geistlicher Art war. Sie las den Kranken vor, kümmerte sich um
die Kinder, hielt Nähkurse ab und schlichtete Streitigkeiten.
    Ihre
moralisierenden Bemerkungen fielen den Leuten gar nicht auf;
sie wären eher überrascht gewesen, wenn des Pfarrers älteste Tochter sich
anders geäußert hätte.
    Aber die
abgebrühte, brillierende, leichtfertige Gesellschaft zuckte nur gleichgültig
die Achseln und hielt sie für ein langweiliges Mädchen vom Land.
    Das erste
Mal in ihrem Leben hatte Minerva das Gefühl, unbeliebt zu sein.
    Und deshalb
entschloß sie sich zu einem betretenen ›Dankeschön‹ für Lord Sylvester.
    Halb
gebückt, ihre heruntergerutschten Strümpfe festhaltend, trippelte Minerva
hinter den Wandschirm und zog ihre Strümpfe mit hastigen Handbewegungen herauf,
um sie schließlich sicher an den grauwollenen Strumpfbändern zu befestigen.
    Dann
erlaubte sie Lord Sylvester ganz kleinlaut, sie in den Speisesalon zu geleiten.
    Sie mußte
befürchten, daß er über die schreckliche Geschichte mit den Strumpfbändern
klatschen würde.
    »Sie essen
ja gar nichts«, bemerkte Lord Sylvester.
    »Ich mache
mir Sorgen.« Minervas große graue Augen sahen fast schwarz aus. »Ich muß mich
Ihnen auf Gnade und Ungade ergeben, Sir.«
    »Wirklich?
Diese Vorstellung finde ich aufregend. In welcher Hinsicht soll ich Gnade
walten lassen?«
    »Ich bitte
Sie, niemandem von ... von ... meinem Unfall während des Tanzes zu erzählen.«
    »Meine
liebe Miß Armitage, wenn ich die äußerst amüsante Geschichte von der
Pfarrerstochter, die in mein Bett sprang, für mich behalten konnte, dann kann ich
bestimmt auch darüber Stillschweigen bewahren, daß sie ihre Strumpfbänder
verloren

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