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Minerva - sTdH 1

Minerva - sTdH 1

Titel: Minerva - sTdH 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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sein.«
    »Aufrichtig!
Man könnte es auch anders nennen. Dieses dumme
kleine Gänschen, Miß Harrison, hat dich beispielsweise gefragt, ob du nicht
ganz hingerissen von ihrem Kleid bist, und was hast du geantwortet? Daß es ganz
schön ist, aber unzüchtig weit ausgeschnitten. Wir haben es alle gemerkt, daß
es so weit ausgeschnitten war, daß man sonstwohin sehen konnte, aber das
spielt gar keine Rolle. Sie ging nämlich in Tränen aufgelöst zu ihren
Freundinnen, und obwohl die eine Sekunde vorher genau das gleiche gesagt
hatten, haben sie es nicht zu ihr gesagt. Das ist der Unterschied, begreifst
du das?«
    »Ich habe
mir um sie Sorgen gemacht«, antwortete Minerva tonlos. »Ich habe nur die
Wahrheit gesagt.«
    »Gut, dann
lüg eben in Zukunft!« schrie Ihre Ladyschaft. »Noch eine Woche, Minerva
Armitage. Eine Woche – nicht mehr! Und wenn dich die Gesellschaft immer noch
ablehnt, dann zurück mit dir, aufs Land!«

Sechstes
Kapitel
    Minerva war fest entschlossen, Lady
Godolphin auf der Abendgesellschaft der Dudleys zu gefallen. Mr. und Mrs. James
Dudley waren ein junges Paar, das gerade sehr in Mode war und es um jeden Preis
bleiben wollte. Sie wußten, daß der Weg zum gesellschaftlichen Erfolg mit
Räumlichkeiten gepflastert ist, die zum Ersticken vollgestopft sind.
    Es dauerte
eine Stunde, bis man sich die engen Treppen des in St. James gelegenen Hauses
hinaufgearbeitet hatte, um sich im Obergeschoß etwas Luft zu verschaffen. Man
stieß ständig aneinander, und alle Räume hallten von den lauten, arroganten
Stimmen der Dandys wider, die ihren Geist sprühen ließen und ihre
›bonmots‹ zum besten gaben. Lady Godolphin verbrachte eine halbe Stunde
im Gespräch mit Oberst Brian, erinnerte sich plötzlich daran, daß sie ihren
Schützling dem Herrn und der Dame des Hauses noch vorstellen mußte, erfüllte
diese Aufgabe und teilte dann der völlig verwirrten Minerva mit, daß es Zeit
sei, heimzugehen.
    Und so
schoben und drängelten sie sich wieder die Treppen hinunter und standen eine
Stunde lang vor Kälte zitternd auf den Eingangsstufen, um zu warten, bis ihr
Wagen vorfuhr.
    Minerva
hatte weder eine Möglichkeit zu gefallen noch zu mißfallen gehabt. Lady
Godolphin ging früh zu Bett, und Minerva schrieb einen heiteren, im Plauderton
gehaltenen Brief nach Hause, daß alles wunderbar sei, wobei sie insgeheim
hoffte, daß ihrem Vater kein Klatsch vom Ball der Aubryns zu Ohren kommen
würde. Obwohl er so vergraben auf dem Lande lebte, kannte der Pfarrer erstaunlich
viele Gerüchte und wußte ganz gut Bescheid, über was die Leute redeten.
    Annabelle
hätte sich anders verhalten, dachte Minerva. Annabelle hätte ihren Charme
spielen lassen und geflirtet. Aber Annabelle hielt auch große Stücke auf ihr
Aussehen und verstand es schon sehr hübsch, betörende Blicke aus ihren blauen
Augen zu werfen.
    Lord
Sylvester war nicht auf der Gesellschaft gewesen, aber zwei von Minervas
gestrigen Partnern, Mr. Bryce und Mr. Blenkinsop; und sie hatten sehr hochmütig
zu ihr herübergeblickt, bevor sie sich abwandten.
    Schon
recht, je schneller sie mich vergessen, desto besser, dachte Minerva, bevor sie
einschlief. Sie hatten sie wahrscheinlich bereits vergessen.
    Darin irrte
Minerva gewaltig. Mr. Jeremy Bryce und Mr. Blenkinsop unterhielten in diesem
Moment ihre Freunde, Lord Chumley und Mr. Silas Dubois, mit schauderhaft übertriebenen
Geschichten über Minervas Moralpredigten.
    »Und sie
hat eine Art, einen anzuschauen, als ob man gerade
unter einem Stein hervorgekrochen wäre«, sagte Mr. Bryce und schlug seine
langen, dünnen Beine übereinander.
    Die Herren
hatten sich nach der Abendgesellschaft in einer Ecke des Kaffeehauses Hubbold
in St. James zusammengesetzt. Sie fühlten sich irgendwie hereingelegt und
wiegelten sich gegenseitig etwa eine halbe Stunde gegen die schöne Minerva auf.
    Der dicke,
rotgesichtige Mr. Blenkinsop gab Minervas Ansichten über die Jagd zum besten,
und Mr. Bryce, dessen Gesicht sich mehr denn je auf eine Seite neigte, erzählte
ihnen von Minervas kritischen Bemerkungen über die Saison.
    Es hatte in
letzter Zeit in London bemerkenswert wenig Klatsch gegeben, und so hatten die
vier Herren niemanden zur Hand, an dem sie ihre schlechte Laune auslassen konnten.
Ihre Boshaftigkeit war einfach die Folge ihrer Langeweile. Sie kamen jedes
Jahr einen Monat, bevor die Saison begann, nach London; und wenn sie dann
anfing, hatten sie so viel gegessen und getrunken, daß sie zu jeder Missetat
bereit

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