Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Minerva - sTdH 1

Minerva - sTdH 1

Titel: Minerva - sTdH 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
Vom Netzwerk:
fragen, was Sie von London halten, aber wenn das Gerücht stimmt, müßte
ich befürchten, mich einem langen und schmerzhaften Vortrag über die Nichtigkeiten
der Gesellschaft auszuliefern.«
    »Sie sind
unhöflich, Sir. Ich fürchte, daß ein paar gar nicht nette Leute an meiner Aufrichtigkeit
Anstoß nehmen.«
    »Offensichtlich
ist Ihre Aufrichtigkeit undiplomatisch gewesen, um es milde auszudrücken. Sagen
Sie immer die Wahrheit?«
    »Immer.«
    »Dann
möchte ich gerne wissen, warum meine Gegenwart Sie
erröten läßt, Miß Armitage?«
    »Mylord,
unser letztes Zusammentreffen war derartig ... war ... gelinde gesagt ... Die
Erinnerung an unser letztes Zusammentreffen ist sehr peinlich für mich.«
    »Ich
erinnere mich nur, daß ich mich unzweifelhaft wie ein richtiger Gentleman
benommen habe. Was genau haben Sie denn so schmerzlich in Erinnerung?«
    »Es sollte
nicht nötig sein, Sie daran zu erinnern. Sie sollten mich nicht danach fragen!«
    Minerva
setzte sich kerzengerade hin. Vor Zorn hatten sich zwei feuerrote Flecken auf
ihren Wangen gebildet.
    »Für eine
junge Dame, die sich etwas auf ihre Aufrichtigkeit zugute hält, sind Sie ganz
schön verstockt. Ich habe Sie festgehalten und geküßt, weil ich dachte, eine
bereitwillige junge Frau sei in mein Bett gehüpft. Stellen Sie sich bloß mein
Erröten und meine Verwirrung vor, als ich merkte, daß es die Tochter des guten
Pfarrers war.«
    »Sie machen
sich über mich lustig! Sie waren kein bißchen aus der Fassung gebracht. Im
Gegenteil, Sie sind beinahe eingeschlafen. «
    »Ich bin
nach jeder großen seelischen Erregung todmüde.«
    »Wenn Sie
vorhaben, mich zu verspotten ...«
    »Ach, bei
anderen erkennen Sie Aufrichtigkeit nicht an. Ich sage einfach die Wahrheit.
Das ist unser Tanz, Miß Armitage.«
    Zu Minervas
Erleichterung war es ein schottischer Reel, bei dem die Tanzfiguren ständig
Trennungen der Partner vorschrieben.
    Bei der
achten Figur spürte sie es plötzlich um ihre Knie herum verdächtig locker
werden.
    Lady
Godolphins Warnung vor dem lockeren Sitz ihrer Strumpfbänder erschien nun gar
nicht mehr so frivol.
    Minervas
schöne Züge bekamen einen ganz angespannten Ausdruck.
    Sie konnte
buchstäblich fühlen, wie die hinterhältigen Strumpfbänder immer tiefer
rutschten.
    Bei einem
verstohlenen Blick nach unten sah sie, daß ihre Strümpfe um ihre Knöchel herum
bereits dicke Wülste gebildet hatten. Kleine Schweißperlen erschienen auf ihrer
Stirn.
    Sie wußte,
daß der Tanz etwa eine halbe Stunde dauerte. Wie lange hatten sie schon
getanzt? Minuten? Eine Ewigkeit?
    Solch eine
Schande dem Partner zu gestehen, erlaubte der Anstand um gar keinen Preis. Sie
tanzte einen eleganten Pas de bas und schickte ein stummes Stoßgebet zum
Himmel.
    Die
geradezu abstoßend häßlichen grauwollenen Strumpfbänder hatte ihr ein
Gemeindemitglied in Hopeworth gestrickt. Minerva hatte sie, ohne nachzudenken,
angezogen. Kein Mensch würde sie schließlich zu sehen bekommen.
    Jetzt mußte
sie sich freilich eingestehen, daß nicht mehr viel fehlte, und sie waren den
interessierten Blicken der ganzen Londoner Gesellschaft ausgesetzt.
    Zu ihrer
unendlichen Erleichterung hörte der Tanz auf, und sie machte vor ihrem Partner
einen tiefen Knicks. Dabei spürte sie, daß die Strumpfbänder vollends aufgingen
und ihre Seidenstrümpfe nach unten rutschten.
    Sie konnte
nicht wieder aufstehen.
    Sie konnte
es nicht wagen.
    Die
unbewegten Augen blickten ruhig auf sie herab. War es Einbildung? Oder lauerte
ein kleiner Funke Bosheit in ihrer Tiefe?
    »Der letzte
Tanz vor dem Supper, Miß Armitage«, sagte er.
    Immer noch
in Knicksstellung, schaute Minerva mit ängstlich geweiteten Augen zu ihm auf.
    Er blieb
über sie gebeugt stehen, die Hand auf dem Herzen, und wartete, daß sie sich
erhob.
    Plötzlich
lächelte er. »Sie hätten mir doch sagen können, daß Sie sich den Fuß verstaucht
haben. Das passiert auf diesen glatten Böden oft. Aber wenn Sie mir erlauben
...«
    Lord
Sylvester unterbrach sich und hob sie auf. Die gräßlichen Strumpfbänder fielen
dabei zu Boden, und – Minerva fest an die Brust gedrückt – bückte er sich noch
einmal blitzschnell und ergriff auch sie.
    »Entschuldigen
Sie. Verstauchter Fuß, wissen Sie«, murmelte er, als er sich, Minerva auf dem
Arm, einen Weg durch die Gäste bahnte. »Ah, Lady Aubryns! Vielleicht können Sie
mir ein Zimmer zeigen, wo sich Miß Armitage ein bißchen ausruhen kann? Sie hat
sich den Fuß verstaucht.«
    »Vielleicht
ist

Weitere Kostenlose Bücher