Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Minerva - sTdH 1

Minerva - sTdH 1

Titel: Minerva - sTdH 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
Vom Netzwerk:
möchte
nicht unbescheiden erscheinen«, bemerkte Minerva, »aber vielleicht habe ich
etwas dazu beigetragen, diese ...«
    »Follikel!
Paß auf, was ich dir sage, es ist Comfrey. Er spielt immer solche Streiche.
Einmal hat er bei seiner Rückkehr vom Land einen alten grünen Plüschjagdrock
seines Vaters getragen, und er geht hin und erzählt diesem Dummkopf von
Chumley, daß das der letzte Schrei ist. Chumley erzählt es in ganz St. James
herum, und bald darauf stolzieren sie alle in den gräßlichsten Jagdröcken
herum, bis sie herauskriegen, daß alles Schwindel war. Lord Sylvester aber war
schon längst wieder wie aus dem Ei gepellt. Hat Comfrey dir Blumen geschickt?«
    Minerva
wurde rot, schwieg aber.
    »Nein. Das
dachte ich mir«, beantwortete Lady Godolphin ihre Frage selbst. »Dann wollen
wir mal unsere Verabredungen durchgehen ...«
    Minerva
wandte sich ab. Sie wünschte, sie würde nicht so leicht erröten. Ein
Blumenstrauß war mit einem Brief ohne Unterschrift gebracht worden, aber sie
war überzeugt, daß er von Lord Sylvester war. Wer sonst sollte ihr so ein
unverschämtes Gedicht schicken?
    Der Brief
begann mit der Hoffnung, daß sie sich von den »Unbilden des Tanzens« gut erholt
habe. Dann kam das Gedicht. Es lautete:
    ›Warum erröten, Mädchen, lieb und schön?
    Das brauchst du nicht, ich habe nicht gelacht;
    Zwar hab' ich deine Strumpfbänder geseh'n,
    Aber nur an Höheres dabei gedacht.‹
    Auf der anderen Seite ist es sehr
unwahrscheinlich, daß er etwas Anstößiges gemeint hatte, überlegte Minerva, als
sich ihre erste Erregung gelegt hatte. Vielleicht waren es viel eher ihre
eigenen Gedanken, die zu anzüglich waren. ›Aber nur an
Höheres dabei gedacht‹ bedeutete bestimmt, daß die Gedanken Seiner
Lordschaft auf erhabenere Dinge gerichtet waren. Vielleicht hatten die
moralischen Maßstäbe, die sie gesetzt hatte, seine verruchte Seele doch etwas
beeinflußt. Es ist unrecht, schlecht von jemandem zu denken, tadelte sich
Minerva. Er hatte sie schließlich vor einer sehr peinlichen Situation bewahrt
und ... und ... er hatte sich ihr als eine Art Bruder angeboten.
    Beruhigt
und getröstet drehte sie sich um und sah Lady Godolphin ruhig ins Auge.
    »Viel haben
wir nicht zu tun«, sagte Ihre Ladyschaft und blätterte den Stoß Karten durch,
»bis heute abend. Ball im Garten der russischen Botschaft. Die Gräfin Lieven
läßt bitten.«
    »Müssen wir
hingehen?« fragte Minerva schüchtern. Sie dachte ängstlich an die Leute, die
hinter vorgehaltener Hand flüsterten und sie mit den Augen durchbohrten.
    »Natürlich!
Natürlich müssen wir gehen. Die Gräfin Lieven ist wichtiger als der
Prinzregent. Weißt du, was sie sagt? ›Wo ich nicht bin, ist auch London
nicht.‹ Damit erfaßt sie die Lage ziemlich genau. Sie gehört in die
allervorderste Reihe der Leute, die den Ton angeben.«
    Lady
Godolphin sprach ›Ton‹ wie ›Tong‹ aus, was sie für französisch
hielt, und damit für besonders fein.
    Sie war
gerade dabei, Minerva wieder einen Vortrag über die Vorteile einer
diplomatischen Ausdrucksweise zu halten, als Lord Chumley angekündigt wurde.
Mr. Bryce, Blenkinsop und Mr. Dubois begleiteten ihn.
    Minerva
warf einen angstvollen Blick auf Lady Godolphin, die ganz schreckliche
Grimassen schnitt, und richtete sich darauf ein, sie zufriedenzustellen. Aber
als Lady Godolphin der Unterhaltung der Herren zuhörte, merkte sie zu ihrem
Erstaunen, daß diese noch weit moralischere Reden als Minerva führten. Lord
Chumley beklagte das Laster des Spielens. Mr. Silas Dubois schwang eine Rede
über die schlimmen
Folgen des Trinkens. Mr. Blenkinsop erregte sich ganz leidenschaftlich über den
Rückgang des Kirchenbesuchs, und Mr. Bryce schrie geradezu nach einer Gefängnisreform.
Minerva hörte schweigend zu, weder zustimmend noch ablehnend.
    Lady
Godolphin fiel noch einmal aus allen Wolken, als die Welt der Dandys in Gestalt
von Lord Barding, Sir Peter Yarwood und Mr. Hugh Fresne erschien. Der Grüne
Salon schien plötzlich von Moralaposteln überzuquellen.
    Ist das
Mädchen denn nie zufrieden? dachte Lady Godolphin ärgerlich. Sie hätte
erwartet, daß Minerva ganz entzückt von dieser frommen Unterhaltung war, aber
Minerva schien zunehmend besorgter und peinlich berührter.
    »Lord
Sylvester Comfrey«, meldete Mice von der Tür her.
    Überraschte
Gesichter wandten sich seiner Lordschaft zu. Lord Sylvester nahm sein Monokel
und überblickte den Raum.
    »Was hat er
wohl vor?« dachte Lady Godolphin,

Weitere Kostenlose Bücher