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Mingus

Mingus

Titel: Mingus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keto von Waberer
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über meine Lippen. Er weiß nicht, wie man küsst.
    »So«, flüstere ich und zeige ihm, wie man das macht. Er lacht, biegt seinen Kopf zurück, öffnet den Mund.
    »Nicht beißen«, sage ich und küsse ihn wieder. »Gefällt dir das?«
    »Es ist gut«, sagt er. »Ein bisschen beißen?«
    »Nein«, sage ich, »oder doch, aber ganz vorsichtig.«
    Alan kommt ins Zimmer, und ich lasse Mingus los.
    »Was machst du da, Aglaia?«, fragt er, obwohl er gesehen hat, was wir machen.
    Mingus lacht. »Hast du das gesehen, Alan? Aglaia zeigt mir, wie man küsst.«
    »Gefällt es dir?«, frage ich und schaue Alan an, der die Augen verdreht und den Kopf schüttelt.
    »Das also willst du, Aglaia, du solltest dich schämen«, sagt er.
    »Unser Moralapostel!« Ich umarme Mingus fest und halte ihm meinen Mund hin.
    »Küss mich«, flüstere ich.
    »Vielleicht morgen wieder«, sagt er und greift nach seinem Schnitzmesser. »Alan, kommst du mit zum Strand? Ich habe dort Tiere gesehen. Robben. Ich hab’s im Buch nachgesehen. Na?«
    Alan hebt das Löwenmännchen auf und hält es dicht vor seine Augen. »Dem fehlt nur noch ein Geweih«, sagt er.
    Ich gebe ihm eine Ohrfeige.

ALAN
    Ich kann unseren Nachmittag am Meer nicht genießen, obwohl mich fallender Schnee sonst immer beruhigt. Aglaia hat einen Plan, einen Plan, der mit Mingus zu tun hat, ihn einschließt. Ich weiß das genau. Ich beobachte sie. Sie ähnelt so sehr ihrer Mutter. Sie will Mingus benutzen. Das geht mir gegen den Strich.
    »Du führst dich auf, als wäre er dein Besitz«, sagt sie. »Du seniler alter Knochen entwickelst wohl kurz vor dem Abnippeln plötzlich Vatergefühle. Das ist geradezu rührend, aber es ist absolut lächerlich.«
    Es ist wahr, ich mag ihn einfach. Es stimmt auch, dass ich ihn schützen will, vor ihr. Sie führt nichts Gutes im Schilde, diese Schlange. Sie versucht, ihn zu ihrer Marionette zu machen.
    Er lacht über mich. Sagt mir, er könne gut auf sich selber aufpassen, sagt mir, er würde losziehen, alleine, sobald es wärmer wird.
    Gonzo funktioniert nicht mehr. Sie haben ihn eingepackt und verstaut. Wie soll Mingus ohne Gonzo die Maschine steuern. Er sagt, er wird das lernen. Von wem? Sie wird es nicht zulassen.
    Vorerst hat sie ihm Training verordnet. Sie will ihn zum Kämpfer ausbilden. Wir haben hier kampfgeübte Aristos im Dorf, die große Lust haben, sich mit ihm zu messen.Hector war, ehe er in Ungnade fiel, ein berühmter Kampfsportler. Seine Schaukämpfe lockten Tausende in die Arenen.
    Viele Männer hier im Dorf haben sich schon mit Mingus angelegt und sich blutige Nasen und blaue Augen geholt. Nur einen, Yukul, den Wasserwart, hat er ernstlich verletzt. Yukul allerdings hat ihn mit seinem Messer bedroht, dieser Vollidiot. Seine zerbissene Schulter heilt nur langsam. Sein rechtes Ohr ist futsch.
    Alle Frauen hier sind von Mingus wie verhext. Er muss sie abwehren. Er tut es freundlich und erstaunt. Den Männern gefällt das nicht immer. Das könnte zu ernsten Schwierigkeiten führen. Ich kenne doch meine Artgenossen.
    Mingus zeigt wenig Lust und noch weniger Geschick zum Schwertkampf nach traditioneller Sitte. Ihm gefallen die Ringkämpfe, die Sprünge, die Fußtritte, die Saltos und solche Sachen. Er hat sofort begriffen, wie man die Angriffe eines Gegners abwehrt. Wie man ausweicht und sich abrollt, um wieder auf die Beine zu springen. Ich schaue zu und feuere ihn an. Das ist gar nicht nötig. Er genießt den Wettbewerb. Hector sagt, er sei der beste Schüler, den er je hatte. Er will jetzt das Bogenschießen mit ihm üben. Ich glaube nicht, dass Mingus dazu Talent hat.
    Es dämmert früh an diesem Tag. Ich setze mich auf den Rand des Beckens und sehe zu, wie Mingus mit geschlossenen Augen im heißen Wasser treibt.
    »Die Kleine, denkst du noch an die Kleine?«, frage ich. Das ist gefährlich, denn als ich ihn das letzte Mal fragte, hat er gebrüllt und mich umgestoßen.
    »Mingus?«, sage ich. Ich kann sofort aufspringen, wenn er mich womöglich ins Wasser reißen will. Er ist unberechenbar.
    »Wir müssen Gonzo reparieren«, sagt er. »Hector sagt, er könne es schaffen.«
    »Magst du Aglaia?«, frage ich.
    »Aglaia ist wunderbar«, sagt er und taucht unter. Ich warte. Er taucht auf.
    »Findest du sie schön?« Er spuckt Wasser nach mir.
    »Das weiß ich nicht«, sagt er. »Ja, sie ist schön. Frauen sind schön. Was willst du, Alan?«
    »Hast du deine Kleine so schnell vergessen?«, frage ich tückisch.
    Er ist schneller als ich,

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