Mingus
packt mich, zerrt mich ins Becken, drückt mich unter Wasser.
»Willst du ersaufen?«, brüllt er.
Ich schüttle den Kopf. Er steigt aus dem Becken, dampfend und nass, und überlässt es mir, mühsam herauszuklettern.
BORIS
Der Anfall ist leichter als der letzte. Ich verliere nicht die Besinnung. Matt gibt mir Injektionen und viel guten Zuspruch. Ich mag ihn richtig gerne, wenn er so ist, aber das geht, wie ich weiß, bald vorüber.
Zaz hat mir ihr Zelt überlassen. Es ist unordentlich und schmutzig, aber ich bedanke mich überschwänglich. Sie sind alle sehr nett zu mir. Abends kommt Julius vorbei und zeigt mir, was sie heute gefunden haben. Verschmorte Eisenteile. Als ob mich das interessieren würde. »Matt ist durchgekommen, heute gegen vier Uhr«, sagt er. »Jetzt scheint er wieder ruhiger zu sein.«
»Durchgekommen?«, frage ich. »Was? Wo durchgekommen?«
»Er wollte doch mit seinem Hospital kommunizieren. Diese eine Operation, die ihm so am Herzen liegt«, sagt Julius. »Ein wunderbarer Arzt. Er hat uns alle untersucht. Babos Hand verbunden, Zaz den Zahn gezogen.«
Ich richte mich auf. »Ihr habt ihn … Ihr habt ihn an euer Feld-Pom gelassen?«
»Ja doch. Er hat unseren Feldmeldeapparat benutzt. Ausnahmsweise funktioniert das Ding.«
»Matt«, brülle ich. »Matt, hierher, sofort!«
Julius hält Matt das Zelt auf. Matt ist rot im Gesicht. Er glänzt.
»Du hast dich gemeldet? Im Hospital gemeldet? Bist du von Sinnen?«
»Ich, ja, ich … Weißt du, Boris, die Transplantation an dieser jungen Frau. Mein Fall … Wir hatten doch … Ich wollte …!«
»Sie werden uns orten«, schreie ich. »Du Wahnsinniger. Sie sind schon unterwegs. Los, hilf mir auf. Wir müssen weg.«
»Wieso sollen sie nach uns fahnden?«, fragt er. »Eine dicke, fette Paranoia, Boris, das ist dein eigentliches Leiden.« Aber seine Stimme klingt falsch.
»Ich habe bei der Atox alles abgeräumt. Den Safe leer gemacht. Du hast deinen Posten verlassen. Den Flughund geklaut. Was meinst du denn …?«
»Halt!«, sagt er. »Wir bleiben noch. Ich befehle es dir als dein Arzt.«
Aber ich bin schon aus dem Bett. Einen Augenblick glaube ich, er wird sich auf mich stürzen. Er zögert, aber er ist feige, und er hat Angst, ich boote ihn aus. Hier und jetzt. Ohne mich hat er keine Chance. Er hat keine Ahnung, wo er suchen soll. Ich bin der, der alle Daten im Kopf hat.
Und so sind wir zwei Stunden später wieder in der Luft. Er fliegt, ich gebe Anweisungen.
»Dem Fluss nach. Halt dich rechts. Geh tiefer!«
Wo hat er angerufen? Bestimmt nicht im Hospital. Diesmal singt er nicht beim Fliegen. Er ist jetzt ganz blass. Schwitzen tut er immer noch.
TARA
Neila ist zurück aus Megacity, und sie ist so begierig, uns das Neueste zu Ohren zu bringen, dass sie sehr ungeduldig das Ende der Zeremonie abwartet. Sie haben die Große Mutter mit Milch übergossen und mit Honig gesalbt. Wir feiern Mittwinter. Die drei mit Tannenzweigen geschmückten Leitkühe sind bei uns im Tempel und muhen und furzen. Heute macht Neila das Gebet kurz. Danach, im warmen Versammlungsraum, legt sie los.
»Dank sei der Großen Mutter«, ruft sie. »Wiesel ist, bei Ma, unser bester Stadtläufer. Hier ist, was er gerade frisch herausgefunden hat. Später hab ich es selbst gehört und gesehen. Am Avatar, vom Regierungssprecher … Also … Der Präsi hat eine Erleuchtung gehabt. Ein Satori, nennt es Kartoffelnase. Wiesel hat die Hintergründe. Er meint allerdings, der Präsi sei durchgeknallt. Er meint, sie haben gepfuscht bei der Klonung. Er hätte ja nun diesen überaus gesunden und kraftstrotzenden Körper von Han, dem Preisringer, aber die Hirnerweichung des notorischen und uns allen nur allzu schmerzlich erinnerten Barden sei nach der Klonung auf den hanschen Gastkörper übergegangen …«
Gemurmel, Fragen, die Frauen sind ungeduldig.
»Ruhe! Der Klon lässt seinen geliebten Kindern sagen, er habe sich versündigt. Er habe begriffen, dass das Jagenvon Tieren, die unsere Brüder sind, verwerflich sei und dass wir nur deshalb den Krieg nicht gewinnen, ja, keine Nachkommen zeugen, weil er Schuld auf sich geladen habe. Ein strenges Fleischverbot ist die Folge. Natürlich Jagdverbot. Als ob in all den Jahren außer den Aristos irgendeiner frisches Fleisch bekommen hätte. Uns kann das gleich sein. Wir essen kein Fleisch. Und das macht alles klar wie die Morgensonne. Die Große Mutter hat den Präsi berührt!
Natürlich weiß unser Klon das nicht. Natürlich weiß das
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