Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mingus

Mingus

Titel: Mingus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keto von Waberer
Vom Netzwerk:
stecken. Ich habe es oft angesehen.
    Sie nestelt an ihm herum, zieht es aus der Scheide und hält es hoch erhoben in ihrer Hand. Ich warte.
    »Das ist das Schwert meiner Mutter«, sagt sie und senkt es dicht vor ihr Gesicht. »Es ist dazu geschmiedet, den Tyrannen zu töten.« Sie schaut mich an.
    Wie sie da steht … irgendwo habe ich das schon mal gesehen, auch solche Worte schon gehört, aber sie lässt mir keine Zeit nachzudenken, wo das war.
    »Nimm es«, sagt sie und hält es mir gebieterisch hin. Es ist schwer. Ich fasse es fester und lasse es ein paarmal durch die Luft pfeifen. Ein hübsches Ding.
    »Es ist für dich«, sagt sie leise. »Es ist für dich.«
    Ich lege das Schwert vorsichtig auf die Polster, trete auf sie zu und schaue ihr ins Gesicht. Ich spüre sie. Ich packe sie und küsse sie. Ich kann das. Fast alle Frauen aus dem Ashram haben mit mir geübt, abends auf den Fellen vor den Flimmergeschichten. Jede macht es anders. In den Geschichten küssen sich die Menschen immerzu. Auch dort sieht es jedes Mal anders aus, und es gibt bei jedem Mal ganz verschiedene Musik dazu, sagt Baro, er hat Ohren für so was. Am seltsamsten ist es, wenn ich Zoe küsse. Ihre Zunge ist wie ein flatternder Vogel. Aber ich habe bei allen gelernt. Obwohl mir manchmal ganz heiß wird dabei. Einmal versuche ich, Zoes Kleider abzumachen, aber das erlaubt sie mir nicht. Das ist mir auch recht, denn was da rüberkommt von ihr, sträubt mir das Fell. Für sie ist diese Berührung unserer Mäuler etwas ganz Wichtiges. Ich spüre Verwirrung, Hunger, Angst und empfange Bilder davon, wie wir verschmelzen, zu einem Klumpen von … ja von Dauer, aber ich spüre eben auch in ihr die Angst davor. Ich will da nicht mit ihr hin.
    Ich küsse Aglaia, lasse alles, was ich kann, an ihr aus, halte sie wie in einem Schraubstock, dulde nicht, dass sie das macht, was sie gerade machen will. Ich spüre sie nicht, denn die Bilder überschwemmen mich, und ich gebe mein Bestes.
    Als ich sie loslasse, fällt sie auf die Polster. Ihre Lippe blutet ein bisschen, dabei war ich sehr vorsichtig mit den Zähnen, wie man es mir beigebracht hat.
    Ich will etwas Freundliches sagen, aber ihr Gesicht ist ganz rot, und ihre Augen blitzen.
    »Das wolltest du doch«, sage ich.
    Sie sagt nichts, sieht mich nur an.
    Ich gehe.
    An der Tür drehe ich mich um und sage: »Deinen Präsi musst du schon selber killen mit dem Schwert deiner Mutter.«
    Dann bin ich draußen im Wind und halte mein Gesicht in die Morgensonne. Ich zittere.

ALAN
    Ubu fragt nach seinem Rechner, den haben unsere Jungs, Luis und Baro, und das schon seit Wochen, aber sie kommen nicht klar mit ihm. So sehe ICH das. Sie sagen, unser Generator liefert den Strom nicht verlässlich. Sie wollen keinen anderen ranlassen, sagen, sie seien die Fachleute.
    Ubu sitzt in der Sonne und hustet. Er ist zufrieden mit allem, was man mit ihm macht. »Na gut, sollen sie’s probieren«, sagt er. »Ich könnte helfen.«
    Das will Aglaia nicht. Sie glaubt, man könne alle Robos im Land mit einem Spezialprogramm lahmlegen. Ich bin ja kein Fachmann. Schon lange nicht mehr.
    Mingus zieht jeden Tag los, um nach seinen Vogelschlingen zu sehen. Ich weiß, dass er heimlich Proviant hortet. Ich weiß, dass irgendetwas vorgefallen ist zwischen Aglaia und ihm. Es knistert in der Luft. Nicht angenehm, finde ich.
    Er hat Hector und Telemach dazu überredet, Gonzo zu reparieren. Aglaia darf das nicht wissen. Sie sagt, er sei kaputt, nicht zu retten, sie kenne sich aus. Hector glaubt ihr nicht.
    Telemach kommt am Abend in Luis’ dunkles Wohnzimmer, wo Staubmäuse heimelig im Licht tanzen, und klackt einfach den Film weg, der gerade so richtig in Schwung kommt. Ein wunderbarer Film, mit Pferden und herumknallenden Männern mit großen Hüten.
    Was für schöne Tiere diese Pferde waren!
    Er macht Mingus ein Zeichen, und der kommt widerwillig hoch aus den warmen Fellen, auf denen er sich ausgebreitet hat. Eine von den Frauen massiert gerade seine Füße. Auch ich ziehe Stiefel an und stehe auf.
    »Du nicht«, sagt Telemach.
    »Doch, Alan soll mit«, sagt Mingus und legt seine schwere Pranke auf meine Schultern.
    Aglaias Haus ist hell erleuchtet, und wir sehen sie drinnen herumgehen und sich die Haare ordnen. Wir schleichen vorbei, zum Schuppen hinter dem Buchenrondell. Dort brennt Licht.
    Hector steht in der geöffneten Tür und lacht, die Hände in die Hüften gestemmt. Er führt uns zu dem Werkzeugtisch. Im Scheinwerferglanz steht

Weitere Kostenlose Bücher