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Mingus

Mingus

Titel: Mingus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keto von Waberer
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ich.Im Zelt riecht es fürchterlich. Da liegt jemand auf dem Boden. Ein alter verschrumpelter Mann. Keine Gefahr.
    »Wer bist du? Was macht ihr hier?«, sage ich und beuge mich über ihn. Mingus hat mir ein Zeichen gegeben. Er und Gonzo wollen die Flugmaschine begutachten. Gonzo ist mit uns gekommen, wollte nicht allein zurückbleiben zwischen den Felsen.
    Der alte Mann will etwas sagen, will sich aufrichten. Ich helfe ihm nicht. Er stinkt. Ich habe Angst, mich mit seiner Krankheit anzustecken. Ich hasse kranke Menschen. Ich beuge mich so tief über ihn, wie ich es über mich bringen kann.
    »Sprich«, sage ich streng. Nur jetzt kein Mitleid, das fehlt mir noch.
    »Tara«, flüstert er. »Liebste!« Er ringt nach Atem. »Tara … nimm dich in Acht vor Matt …«
    Er fällt zurück, und ich warte noch eine Weile vornübergebeugt auf weitere Worte.
    Ich sehe, dass er tot ist. Woran ich das sehe? Ich weiß es nicht. Es ist, als hätte man ihn ausgeklickt. Seine Augen sind starr, und sein Mund steht offen. Ich sehe seine schwarze Zunge. Ich krieche aus dem Zelt.
    Mingus bindet den Schaufelmann an einen Akazienstamm. Der Mann ist starr vor Schreck, die Augen treten ihm aus dem Kopf. Speichel rinnt über sein Kinn.
    »Ist mit seiner kleinen Schaufel auf mich los«, sagt Mingus lachend. »Von hinten, als Gonzo gerade ins Cockpit geklettert war. Einen Augenblick haben wir nicht aufgepasst. Wir Idioten, ICH Idiot, aber jetzt …«
    »Der Präsi … ich bin ein Vertrauter unseres Präsis …«, stammelt der Mann.
    Ich schlage ihn mitten ins Gesicht.
    »Wo ist er?«, frage ich.
    Mingus sieht zu und lächelt. »Nicht zu fest«, sagt er. »Wir wollen, dass er mit uns spricht.«
    »Der Präsi ist hier«, schreit der Mann. »Jeden Augenblick werden seine Robos hier …« Ich schlage ihn diesmal mit der Faust in den Bauch. Er braucht eine Weile, um das zu verdauen.
    »Hör auf«, sagt Mingus. »Lass mich mit ihm reden.« Er stößt mich weg.
    »Du wirst jetzt sterben«, sagt Mingus und zeigt seine Zähne. »Ich reiß dir die Kehle raus. Verstanden. Du kannst jetzt reden und weiterleben oder das Maul halten und sterben. Wie entscheidest du dich?«
    »Reden«, stottert der Mann.
    »Was wollt ihr hier?«, knurrt Mingus.
    »Ich teile mit euch!«, schreit der Mann. »Ich teile das ganze Gold mit euch. Leos Gold, versteht ihr. Hier ist Gold versteckt … Boris weiß, wo … Wir teilen brüderlich. Viel Gold und dann noch die Papiere!«
    »Ach so«, sagt Mingus und lässt von ihm ab. »Schatzsucher.«
    »Wo ist der Präsi?«, schreie ich, und Mingus unterstützt mich, indem er den Rachen aufreißt und ein tiefes Grollen aus seiner Brust heraufholt, wie ich es noch nie gehört habe.
    »Drüben, ein paar Kilometer von hier ist sein Altar, da kommt er jeden Tag hin und bringt dem Tiergott Opfer …da kommt er hin. Die Robos bleiben im Wald zurück. Ich kann euch hinführen. Ich weiß, wo das ist …«
    »Tiergott?«, sage ich.
    Mingus lacht. »Das glaubt keiner. Märchenerzähler. Jetzt mal im Ernst …« Er schnauft dem Mann ins Gesicht, von ganz nahe, er öffnet die Kiefer.
    »Es ist wahr«, schreit der Mann. »Ich zeige es euch. Unser Präsi betet den Löwen an. Dort. Er opfert ihm. Dort. Seit seiner Bekehrung …«
    Ich schlage ihn noch mal, ein klatschender Streich auf die Backe. Er schreit auf wie eine Frau.
    »Heute Abend führst du uns hin«, sagt Mingus. »So lange bleibst du hier am Baum, und deinen Freund binden wir an den Baum daneben.«
    »Der ist tot«, sage ich. »Gerade eben ist er gestorben. Ich war dabei.«
    »Ich heiße Matt«, flüstert der Mann. »Wie heißt ihr?«
    »Er heißt Matt«, sage ich. »Dachte ich mir. Die letzten Worte seines Kumpels waren ›Nimm dich in Acht vor Matt‹ oder so ähnlich, und er hat mich Tara genannt.«
    »Tara«, sagt Mingus und fährt zu mir herum. »Wo ist Tara?«, brüllt er. Der Mann hat eine brennend rote Backe, noch röter als sein ohnehin schon roter Kopf.
    »Keine Ahnung!«, schreit er. Es klingt aufrichtig.
    Mingus lässt ihn Wasser trinken und steckt ihm ein Stück unserer Wurst wie einen Knebel in den Mund.
    »Wie fürsorglich«, sage ich.
    »Wir brauchen ihn noch«, sagt Mingus.

NIN
    Tara schläft. Sie sagt, sie schlafe schlecht hier auf dem harten Lager, dabei schläft sie wie ein Tier im Winterschlaf. Auch ich habe einen Winter verschlafen, in dem goldenen Kunstuterus, zu Hause. Ich habe später darüber gelesen. Auch Tiere, manche Tiere, verschlafen den ganzen Winter. Also

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