Mini Shopaholic: Band 6
falle ich nicht herein. So fängt sie ihre Fernsehsendung immer an. Erst ist sie supernett, dann stürzt sie sich auf ihre Beute, und am Ende schluchzen sich alle an ihrer Schulter aus und heulen: »Nanny Sue, wie können wir bessere Menschen werden?«
»Okay.« Sie tippt etwas ins Notebook, und auf dem Bildschirm erscheint mit schwarzen Buchstaben »Minnie Brandon«. »Wie Sie wissen, habe ich - wie ich es immer tue - unseren gemeinsamen Morgen gefilmt. Nur für meine eigenen Aufzeichnungen.«
»Bitte?« Ich glotze sie an. »Ist das Ihr Ernst? Wo war die Kamera?«
»An meinem Revers.« Nanny Sue ist ebenso erstaunt und wendet sich Luke zu. »Ich dachte, Sie hätten Becky darüber informiert?«
»Du wusstest es? Und hast mir nichts gesagt!«, fahre ich Luke an. »Ich bin die ganze Zeit gefilmt worden, und du hast mir nichts davon gesagt?«
»Ich hielt es für besser. Ich dachte, wenn du es wüsstest, würdest du vielleicht. …« Er zögert. »Dich unnatürlich benehmen. Theater spielen.«
»Ich würde nie Theater spielen«, erwidere ich wütend.
Nanny Sue scrollt durch die Bilder, hält hier und da an, und ich sehe mich, wie ich theatralisch einen Vortrag über Knetgummi aus Bio-Mehl halte.
»Der Part ist unwichtig«, sage ich hastig. »Da können wir vorspulen.«
»Und, was sagen Sie denn nun, Nanny Sue?«, Luke beugt sich auf seinem Stuhl vor, die Hände erwartungsvoll auf den Knien gefaltet. »Haben Sie größere Probleme festgestellt«
»Leider ist mir tatsächlich etwas aufgefallen, das mir Sorgen bereitet«, sagt Nanny Sue ernst. »Ich zeige es Ihnen gleich ... können Sie beide den Bildschirm sehen?«
Was ist ihr aufgefallen? Was es auch war, sie täuscht sich. Ich bin außer mir vor Entrüstung. Woher nimmt sie das Recht, in unser Haus zu kommen, uns zu filmen und uns zu sagen, was mit unserer Tochter nicht stimmt? Wer hat eigentlich gesagt, dass sie Expertin ist?
»Moment!«, rufe ich, und überrascht hält Nanny Sue das Video an. »Viele Kinder sind lebhaft, Nanny Sue. Aber das heißt nicht, dass sie verwöhnt sind. Es heißt nicht, dass sie Probleme haben. Der Mensch ist ein vielfältiges und wunderbares Wesen. Manche sind ängstlich, manche sind beherzt! Unsere Tochter ist eine wundervolle Person, und ich werde nicht zulassen, dass ihr freier Geist in einem ... autoritären Boot Camp unterdrückt wird! Und Luke sieht das genauso!«
»Ich auch.« Nanny Sues Stimme überrascht mich.
»Bitte?«, sage ich flau.
»Meiner Ansicht nach hat Minnie nicht das geringste Problem. Sie könnte etwas mehr Struktur und Disziplin gebrauchen, aber ansonsten ist sie ein lebendiges, ganz normales Kind.«
»Normal?« Benommen starre ich sie an.
»Normal?«, ruft Luke. »Ist es normal, Leute mit Ketchup zu bespritzen?«
»Für ein zweijähriges Kind, ja.« Nanny Sue scheint sich zu amüsieren. »Völlig normal. Sie testet nur die Grenzen aus. Wann hat sie denn übrigens das letzte Mal jemanden mit Ketchup bespritzt?«
»Nun ... « Etwas unsicher sieht Luke mich an. »Also ... das weiß ich gerade nicht. Es ist schon eine Weile her.«
»Sie ist stur. Und gelegentlich scheint sie die Oberhand zu gewinnen. Ich schlage vor, dass ich einen Tag mit Ihnen verbringe und Ihnen ein paar Ratschläge gebe, wie Sie Minnies wilderes Gebaren lenken können. Aber ich möchte wirklich nicht, dass Sie glauben, Sie hätten ein Problemkind. Minnie ist ein ganz normales Kind. Und ein wirklich süßes Kind dazu.«
Ich bin so verdutzt, dass ich gar nicht weiß, was ich dazu sagen soll.
»Sie ist sehr intelligent«, fügt Nanny Sue hinzu, »was eine Herausforderung wird, wenn sie etwas älter ist. Intelligente Kinder testen ihre Eltern oft am meisten aus ... «
Dann fangt sie wieder von den Grenzen an, aber ich freue mich viel zu sehr, als dass ich ihr weiter zuhöre. Minnie ist intelligent! Nanny Sue hat gesagt, mein Kind ist intelligent! Eine echte Expertin aus dem Fernsehen!
»Sie wollen uns also kein Boot Camp vorschlagen?“, breche ich beschwingt in ihren Vortrag ein.
»Oh, das habe ich nicht gesagt.“ Nanny Sues Miene verdüstert sich. »Wie bereits erwähnt, ist mir bei meinen Beobachtungen sehr wohl etwas aufgefallen. Und es hat mich doch beunruhigt. Sehen Sie hier ... „
Sie drückt eine Taste, und der Film fangt an - doch zu meiner Überraschung ist auf dem Bildschirm nicht Minnie zu sehen. Da bin ich. Ich sitze im Taxi auf dem Weg zum Einkaufszentrum, und die Kamera zoomt auf meine Hände.
»Wo seid ihr da?«
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