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Mira und das Buch der Drachen (German Edition)

Mira und das Buch der Drachen (German Edition)

Titel: Mira und das Buch der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Ruile
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schlich sie sich von Säule zu Säule, bis sie in Sichtweite der Stelle kam, an der sie die Quelle des Gemurmels vermutete. Ein leises Husten war zu hören.
    Miras Herz begann wie wild zu klopfen. Von einer schlimmen Ahnung geleitet, spähte sie hinter der Säule hervor.
    Dort stand Albert und unterhielt sich mit Hippolyt. Die beiden sahen sehr vertraut miteinander aus.
    »Für diese Information gibst du mir das, was ich wollte«, flüsterte Hippolyt. Widerstrebend griff Albert in sein Portemonnaie und steckte Hippolyt etwas zu, was dieser schnell in der Innentasche seines Mantels verschwinden ließ.
    Als er seine Brieftasche wieder zurücksteckte, hielt Albert plötzlich inne, sah auf und blickte Mira direkt ins Gesicht. Sein Mund stand vor Staunen offen und verzog sich dann zu einem triumphalen Grinsen.
    Mira drehte sich um und versuchte wegzulaufen, doch nach wenigen Metern wurde ihr ein Bein gestellt und sie schlug der Länge nach auf den kalten Marmorboden. Jemand beugte sich über sie und hielt von hinten ihre Hände zusammen. Dann hörte sie Xenias schrille Stimme.
    »Du hast wohl gedacht, das Fest würde ohne dich anfangen, Mira! Weit gefehlt! Du bist schließlich unser Ehrengast.«

22. Kapitel

    in dem eine kalte Musik erklingt
    Im Ballsaal saß der Pianist vor einem großen Flügel. Das schwarze Instrument glänzte im Widerschein der vielen Kerzen und die unnatürlich weißen Finger des Klavierspielers huschten wie flatternde Vögel über die Tasten. Der Pianist spielte schon seit einer Weile und die Musik mischte sich unter das gedämpfte Gemurmel der Gäste.
    Kaum einer von ihnen hatte den legendären Festsaal der schwarzen Hexe schon einmal von innen gesehen. Befangen blickten sich die schwarzen Zauberer um. Der Mond schien durch die großen dreieckigen Fenster. Es gab kein elektrisches Licht. Nur der Schein zahlloser Kerzen erhellte den Raum mit den hohen, dunkelrot gestrichenen Wänden, von denen Ölbilder mit blutigen Jagdszenen auf die Versammelten herabblickten. Doch obwohl alles so feierlich aussah, wollte keine rechte Feststimmung aufkommen. Dankbar, etwas zu tun zu haben, reihten sich die schwarzen Zauberer in die Schlange vor dem Buffet ein, nur um sich dann an Tellern und Champagnergläsern festzuhalten und gebratene Heuschrecken oderRegenwürmer in Hefeteig mit kleinen silbernen Gabeln aufzuspießen. Ein äußerst schwieriges Unterfangen, wenn man sich dabei auch noch unterhalten musste und das Essen so ungenießbar war wie dieses. Und so landete so manches zähe Insektenbein auf dem Boden mit den geheimnisvollen Mosaikornamenten und wurde von einem spitzen Stöckelschuh zertreten.
    Manche der schwarzen Zauberer sehnten sich insgeheim nach den guten alten Zeiten, in denen Hippolyt noch die Zutaten für die glanzvollen Buffets geliefert hatte, was aber keiner laut auszusprechen wagte.
    Auch sonst wurden wenige Dinge laut ausgesprochen. Vor allem wagte es niemand, Vermutungen über den Anlass des Festes anzustellen. Alle hatten Angst, dass ihr Nachbar mithören und sie anschwärzen könnte. Denn keine Äußerung entging der schwarzen Hexe oder dem geschickt geknüpften Netz ihrer Späher und Informanten.
    So waren die Gespräche gedämpft, und man sprach eingeschüchtert über so wichtige Dinge wie über das weit ausgeschnittene Kleid der Nachbarin oder die Anzahl an dicht beschriebenen Zetteln in Ambrosius’ Westentasche, die auf eine weitere unendlich langweilige Ansprache schließen ließen. Eine unfrohe Stimmung lag über den Versammelten, die nicht einmal das Klavierspiel aufzuheitern vermochte.
    Um den großen schwarzen Flügel am rechten Rand des Ballsaals machten alle einen großen Bogen. Das lag nicht an der Musik, die aus dem schönen Instrument perlte und zur Saaldecke stieg wie die Champagnerblasen in den Gläsern der Gäste. Nein, es lag am Pianisten. Er saß da und spielte von Leidenschaft durchströmt. Sah man jedoch genauer hin, dann merkte man, dass seine Augen starr waren und sein Oberkörper eigenartig steif und unbeweglich. Etwas Unheimliches umgab den Klavierspieler, und jedem, der sich ihm näherte, jagte sein Anblick einen kalten Schauer über den Rücken. Bald munkelte man, dass er einer der Automaten der schwarzen Hexe sei. Eines jener geheimen und alten Zaubergeräte, die schon seit langer Zeit in ihrem Besitz waren und die sie nur zu bestimmten festlichen Ereignissen der Öffentlichkeit vorstellte. Beendete der mechanische Pianist ein Stück, so erhob er sich

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