Mira und das Buch der Drachen (German Edition)
Lupe prüfte.
»Und zu meinem Glück war hinter dir auch noch Thaddäus’ Baumhaus zu sehen. Ich wusste also, dass ihr euch dort versteckt hattet, und habe sofort ein paar Leute geschickt.«
Mira hielt sich an der Lehne des Ledersessels fest, während die Hexe fortfuhr.
»Zwei konnten gleich gefangen genommen werden. Deine anderen beiden Freunde haben wir dann im Treppenhaus erwischt, wie du dich sicher erinnern kannst!«
Der Raum um Mira herum verschwamm, und ihre Knie waren weich, als sie spürte, wie der Kummer sie umspülte. Oh, elendes Abenteuer! Sie hatte nicht nur versagt, sondern auchnoch ihre Freunde mit ins Unglück gerissen. Am liebsten wäre sie auf der Stelle im Boden versunken.
Die schwarze Hexe beobachtete sie weiter aufmerksam. »Hast du dich nicht gewundert, warum ausgerechnet du den Schatten entwischt bist?«
Mira schwieg.
»Ich wollte nicht, dass sie dich fangen. Ich wollte, dass du das Buch findest.«
Die Hexe fuhr zärtlich über den samtenen Umschlag des Zauberbuchs. »Und hier ist es! Das zweite Buch. Als sich der weiße Drache verbrannte, ahnte ich, dass das nicht das Ende der Geschichte sein würde.«
Sie schlug das Buch genau in der Mitte auf, dort, wo sich die beiden ineinander verschlungenen Drachen befanden. Die Flamme der schwarzen Kerze spiegelte sich flackernd in ihren dunklen Augen. »Es ist hier, vor mir! Mein ganzes Leben habe ich danach gesucht.« Sie schwieg und keiner sprach ein Wort. »Die weißen Zauberer sind besiegt! Wenn Cyril das sehen wird, dann wird ihm klar werden, wie unsinnig sein Vorhaben war. Was für eine Dummheit, sich Jahrhunderte in einem Buch zu verstecken! Er wird endlich verstehen, warum ich diesen Weg gegangen bin.«
Langsam sah die Hexe vom Buch auf. »Ich habe dich unterschätzt, Mira! Deine Arbeit ist unbezahlbar gewesen. Deshalb möchte ich dir etwas anbieten. Du kannst auf meine Seite kommen. Lass uns gemeinsam diesen Triumph vollenden! Es wird keine weißen Zauberer mehr geben.«
»Doch«, rief da plötzlich eine Stimme hinter Mira. »Mich!«
Das Lächeln der Hexe erstarb. »Hippolyt! Sie schnippte mit den Fingern. »Komm nach vorne, Hippolyt!«
Hippolyt wankte an Mira vorbei zum Schreibtisch. Er hustete und hielt sich die Hand vor das Gesicht, um es vor Mira zu verbergen.
Die Hexe lächelte wieder ihr kaltes Lächeln. »Ich habe dich nicht vergessen. Und auch die anderen schwarzen Zauberer denken oft an dich. Ich habe gehört, es gibt da so manche, die sich dein Essen zurückwünschen.«
Die Hexe lachte. »Ich persönlich habe es nicht vermisst. Und ich werde es auch in Zukunft nicht vermissen.«
Hippolyt hustete. »Immer schon habe ich Euch und die schwarzen Zauberer bewundert. Eure Eleganz und Gewandtheit. Es wäre mir nun eine Ehre, zu Euch zu gehören.«
»Sieh an!«, sagte die schwarze Hexe. »Was für ein heldenhafter Entschluss. Jetzt, da seine Sache verloren ist, will er bei uns mitspielen!« Sie blickte an Hippolyt vorbei zu Albert. »Bring ihn weg! Schaff ihn mir aus den Augen! Setz ihn irgendwo in den Wäldern aus! Ich will ihn nicht mehr auf meinem Grund und Boden haben.«
Hippolyt zitterte. »Lasst mich zu Euch gehören!«
»Es wäre ein Leichtes für dich gewesen, vorher die Seiten zu wechseln!«, erklärte die schwarze Hexe.
»Aber dann hätte ich mich nicht mehr verwandeln können!«, rief Hippolyt verzweifelt.
»Nun, man kann eben nicht in beiden Mannschaften zugleich spielen!«
»Dann gebt mir wenigstens mein Restaurant zurück, so wie Ihr es mir versprochen habt! Immerhin habe ich Euch das Buch und das Mädchen gebracht«, stieß Hippolyt hervor.
»Genug! Du kannst gehen! Verschwinde!«, herrschte die schwarze Hexe ihn an. »Ich mag keine Verräter.«
Hippolyt blickte zu Boden. »Dann hatte ich also nie eine Chance?«
Die schwarze Hexe schüttelte den Kopf. »Nein, Hippolyt, die hattest du nie!«
Hippolyt schwieg. Er hatte aufgehört zu zittern und sah sich in der Kammer um, als ob er aus einem Traum erwachen würde. Dann nestelte er nervös in seiner Jackentasche. »Kann ich mich noch verabschieden?«
Die schwarze Hexe sah ihn kurz scharf an und zuckte dann herablassend mit den Achseln.
Hippolyt humpelte auf Mira zu und streckte seine Hand aus. »Leb wohl, Mira!«, sagte er leise.
Mira starrte auf die dargebotene Hand und in Hippolyts müdes altes Gesicht. »Nimm meine Hand!«, sagte er beschwörend. »Nimm sie! Bitte!«
Mira schüttelte nur stumm den Kopf.
Hippolyt sah sie flehentlich an. »Ich
Weitere Kostenlose Bücher