Mira und der weiße Drache (German Edition)
hüllte sich in eine kratzige Wolldecke und begann sich besser zu fühlen.
»Nun, ich glaube nicht, dass du zufällig durch dieses Fenster gesegelt bist«, sagte die alte Hexe. Mira schüttelte den Kopf. »Miranda hat gesagt, ich soll hierherfliegen. Sie meinte, nur Sie könnten ihr helfen. »Miranda?« Die Hexe Fa brummte leise, schien aber nicht besonders besorgt. »Was hat sie denn schon wieder angestellt?«
»Eigentlich«, sagte Mira beschämt, »habe ich eher etwas angestellt.« Die alte Hexe sah sie jetzt eindringlich durch ihre Brillengläser an.
Wo sollte Mira anfangen? Sie berichtete zunächst von der Bahnfahrt und dem Spruch, den sie im Spiegel der Zugtoilette gelesen hatte. Die Hexe Fa runzelte die Stirn und kippte einen guten Schluck ihres Krötenpunsches hinunter.
Dann erzählte Mira von der Bibliothek, wurde rot, als sie berichtete, dass sie das Buch gestohlen und den Drachen beschworen hatte, der ihr die Fähigkeit gegeben hatte zu fliegen. Mira erwähnte allerdings nichts von dem Spruch, den der weiße Drache ihr anvertraut hatte, und die alte Hexe sah sie eine Weile an.
»Ihr Menschen habt schon ein ungewöhnliches Talent, Unheil anzurichten.« Sie klaubte das zerbrochene Glas vom Boden und warf die Scherben in den Abfalleimer. »Aber tröste dich, du bist nicht die Erste, die sich in unsere Angelegenheiten einmischt. Allerdings ...«, sagte sie grimmig, »... den wenigsten ist das gut bekommen.« »Mhmm«, sagte Mira und rieb sich den schmerzenden Kopf. Das hatte sie schon mal gehört.
Die Hexe nahm ihre Brille ab und putzte sie an einem ihrer vielen Röcke. »Ich habe das Gefühl, dass du mir nicht alles erzählt hast, aber du hast sicher deine Gründe.«
Mira räusperte sich kurz und konnte nicht verhindern, dass sie wieder rot wurde. Schließlich berichtete sie von dem Kater.
»Sehr seltsam, ich kenne diesen Zauberer nicht«, sagte die Hexe und kratzte sich am Knie. Dann erzählte Mira von Mirandas Versuch, das Buch wiederzubekommen, wie sie sich selbst verwandelt hatte und schließlich vom Zauberrat.
Als Mira an die Stelle kam, in der Xenia ihre flammende Rede zu Mirandas Bestrafung hielt, rollte die alte Hexe die Augen, genau wie der junge Zauberer es getan hatte. Als sie schließlich von dem Bannkreis hörte, knallte die Hexe Fa die Flasche mit dem Krötenpunsch auf den Tisch.
»Ein Haufen komplett unfähiger Idioten«, schimpfte sie.
Sie stand auf und sagte: »Ich gehe jetzt und hole Miranda.«
»Aber«, sagte Mira sorgenvoll, »es hieß, dass jeder, der das versucht, schwer bestraft wird!« »Sollen sie nur kommen, diese wichtigtuerischen Hexen und Zauberer«, grollte die alte Hexe. »Meinst du etwa, ich habe vor diesem lausigen Haufen Angst?« Sie schüttelte sich nun vor Lachen und sah mit einem Mal sehr unheimlich aus.
Nicht nur unheimlich, dachte Mira, sondern auch sehr mächtig. Doch dieser Eindruck hielt nur für einen kurzen Moment an. Dann wirkte die Hexe Fa wieder wie ein harmloses kleines Weiblein und goss Mira noch etwas Krötenpunsch in das Glas.
»So, mein kleines Menschenkind, trink das und bleib hier, bis ich zurückkomme.« Mira schluckte, als sie das Glas in die Hand gedrückt bekam, zögerte diesmal aber weniger als vorher und kippte das Zeug in einem Zug hinunter. Die kratzige Decke fühlte sich nun wunderbar weich an und Mira rieb sich die Augen. Wie müde sie plötzlich war! Sie blinzelte und sah vor sich eine riesige Eule. Sie hatte bernsteinfarbene, kluge Augen und blickte sie für eine Weile an. Dann flog die Eule zum Fensterbrett, breitete dort ihre großen Flügel aus und war gleich darauf in der Mondnacht verschwunden.
Das Letzte, was Mira noch sah, waren das prasselnde Feuer und der schwarze Kessel, der darüber sachte hin- und herschaukelte. Dann fielen ihr die Augen zu.
10. Kapitel
in dem Mira erfährt, was es mit dem Buch auf sich hat
Als Mira die Augen wieder öffnete, sah sie einen dicken, etwas behäbigen Mann neben dem Kessel stehen und mit einer Schöpfkelle Suppe aus dem schwarzen Kessel fischen. Er hatte einen weißen Mantel an und ein leuchtend blau-grün schimmernder Schal war um seinen Hals geschwungen. Seine silbernen Haare waren sorgfältig frisiert, und er achtete darauf, nicht seinen eleganten Mantel zu bekleckern, während er die Suppe schlürfte. Mira blinzelte und saß plötzlich hellwach auf dem Sofa.
Der Mann zuckte zusammen, als er merkte, dass das Mädchen wach geworden war, und blickte Mira dann freundlich an. »Ein
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