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Mira und der weiße Drache (German Edition)

Mira und der weiße Drache (German Edition)

Titel: Mira und der weiße Drache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Ruile
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schillernden Schmetterling frei. Eine feine, sehnsuchtsvolle Musik erfüllte das Zimmer, als der Schmetterling zum Fenster flatterte. Sie erinnerte Mira an die Musik, die sie hörte, als sie in die uralten Augen des Drachen blickte, und ihr war es so, als würde sie durch die Töne aus ihrer verängstigten Erstarrung erwachen. Sie wusste mit einem Mal genau, was sie zu tun hatte. Sie beugte sich hinunter zu Miranda und schloss mit dem goldenen Schlüssel den Käfig auf. »Lauf!«, rief sie der kleinen Katze zu. Die ließ sich das nicht zweimal sagen, sprang vom Boden, auf dem unzählige glänzende Scherben lagen, auf den Schreibtisch und von dort mit einem großen Satz aus dem Dachfenster. »Verfolge sie!«, rief die schwarze Hexe Xenia zu. Doch die stand nur mit offenem Mund da. Nach einer Weile verwandelte sie sich in einen Dachs und setzte Miranda nach. Jetzt drehte sich die Hexe zu Mira. »Ich möchte fliegen!«, dachte Mira im selben Augenblick, und kurz darauf saß eine kleine Amsel auf dem Boden. Der Vogel hüpfte auf den Schreibtischstuhl und flog dann mit eiligen Flügelschlägen durch die Dachluke davon in die Nacht.

19. Kapitel
    in dem Mira sich in einen Abgrund stürzt
    In dem Moment, in dem sich Mira in der Luft befand, hatte sie alle Furcht abgelegt. Die Nachtluft war kühl und der Wind wehte günstig. Der Mond stand am Horizont und seine runde Scheibe war nun schon etwas angeknabbert. Er war bleicher als vor vier Tagen, als Mira zum ersten Mal geflogen war.
    Die Spitzen ihrer Flügel bogen sich im Wind. Unter ihr lag die nächtliche Stadt, durch die sich wie ein schwarzes, glitzerndes Seidenband der Fluss zog. Menschen, klein wie geschäftige Spielzeugfiguren, liefen durch die Gassen. In den größeren Straßen reihten sich die Lichter der Autos in weißen und roten Perlen zu einer leuchtenden Kette.
    Aus den Kaminen stieg Rauch auf und wehte über silberglänzende Dächer, die aussahen wie riesige ineinandergesteckte Schachteln. Das Licht aus den Fenstern schien warm und hell, und Mira sah Dinge, die sie so nie zuvor bemerkt hatte: einen rostigen Wetterhahn, der sich quietschend im Wind mit ihr drehte, oder eine blecherne Fahne, um die sie gleich zweimal eine Schleife zog.
    Wie schön es war zu fliegen!
    Mira schraubte sich hoch und ließ sich in den Wind hineinfallen, der sie immer weiter trug. Was sollte ihr geschehen, solange sie in der Luft war?
    Da verdunkelte sich plötzlich der Mond. Ein Vogel, mindestens doppelt so groß wie sie, segelte suchend über ihr. Seine breiten Flügel zerteilten mit einem Sausen die Luft. »Ein Sperber!«, dachte Mira und ihr Herz setzte für einen Moment aus.
    Vorsichtig flog sie ein wenig tiefer, um sich im Schatten eines Kirchturms zu verbergen.
    Aber da hatte der Sperber Mira schon entdeckt.
    Er segelte nach unten und flog pfeilschnell auf Mira zu.
    Seine Krallen blitzten und seine dunkelgelben Augen leuchteten kalt und gierig in der Dunkelheit. Mira flatterte verzweifelt weiter. Nur noch wenige Flügelschläge, und der große Vogel hätte sie erwischt. »Glaub mir!«, rief die drohende Stimme der schwarzen Hexe, die unaufhaltsam näher kam. »Mir ist noch keiner entkommen!«
    Plötzlich sah Mira auf einem Dachfirst unterhalb des Kirchturms eine struppige kleine Katze, die auf wackligen Dachplatten balancierte. »Miranda!«, schrie sie, aber es kam nur ein Zwitschern aus ihrer Kehle. Der Sperber berührte schon fast Miras Gefieder. Da duckte sich die Katze und setzte zum Sprung an. »Miranda«, dachte Mira. »Miranda, tu das nicht!« Doch die Katze schnellte mit einem riesigen Satz nach oben und warf sich auf den viel größeren Vogel. Der Sperber drehte ab und versuchte, der Katze auszuweichen. Aber Mirandas Pfote hatte sich in seinem Flügel festgekrallt.
    Federn stoben hoch. Der Sperber ruderte mit dem anderen Flügel verzweifelt in der Luft, um die lästige Katze abzuschütteln. Es gelang ihm aber nicht, die Katze weder mit seinen Krallen noch mit seinem scharfen, gebogenen Schnabel zu erreichen. Miranda fauchte, hing zwischen der Luft und dem rutschigen Dachgiebel und hob nun die andere Tatze, um sich den zweiten Flügel zu krallen. »Flieg!«, rief sie Mira zu, die wie gelähmt auf einer Dachplatte saß und dem ungleichen Kampf zusah. »Flieg weg, so schnell du kannst!«
    Mira flatterte hoch und sah noch, wie Miranda versuchte, den Sperber zu beißen, und wie der seinen Schnabel in das Fell der Katze bohrte. Dann stürzten die beiden ineinander verhakten

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