Mira und der weiße Drache (German Edition)
knallte ihr mit einem bösen Gesichtsausdruck den schweren Katzenkäfig vor die Füße. Die schwarze Hexe sah sie zornig an. »Was soll dieser Tumult?«, fragte sie mühsam beherrscht.
»Sie hat mich gebissen!«, schrie Xenia, »dieses blöde Katzenvieh hat mich gebissen!«
Das Fell der struppigen Katze im Käfig sträubte sich und Miranda fauchte.
»Sie muss bestraft werden!«, kreischte Xenia und deutete auf die Katze, die wütend gegen die Gitterstäbe sprang.
Die schwarze Hexe sah vom Katzenkäfig zu Mira und ein böses Lächeln huschte plötzlich über ihre Lippen.
»Ja, ich denke, du hast recht«, sagte sie zu Xenia und hob den Katzenkäfig hoch. Sie blickte von der Katze zu Mira. »Wenn du mir nichts verrätst, dann werde ich mich eben als Erstes mit dieser kleinen, räudigen Katze beschäftigen!« Mira sah entsetzt zu Miranda, die sich ängstlich an die Gitterstäbe drückte.
In diesem Moment vibrierte die ganze Dachkammer.
»Pia Fraus!«, donnerte eine durchdringende Männerstimme durch den Raum.
Die Hexe stellte den Käfig auf den Boden und erstarrte. Die kleinen Glasfiguren auf dem Kaminsims begannen zu zittern, dabei fiel eine herunter und zerschellte vor dem Kamingitter. Mira konnte aus den Augenwinkeln sehen, wie eine silberne Karte neben dem Gitter herausfiel und zu Boden schwebte. Sie war wohl dort hängen geblieben, als die Hexe alle Karten des Silbermännchens verbrannt hatte!
»Pia Fraus!«, donnerte die Stimme ein zweites Mal. Xenia hielt sich die Ohren zu und schaute entsetzt zur Hexe, die sich suchend in der Kammer umblickte. Niemand achtete auf Mira, die sich schnell bückte und die Karte aufhob, um sie in ihrer Hosentasche zu verstauen. Nanu! In der Tasche befand sich auch noch der kleine Gegenstand, den sie in der Dunkelheit im Keller eingesteckt hatte. Sie zog ihn heraus und betrachtete ihn unauffällig. Es war ein kleiner goldener Schlüssel, gerade so wie der, den Xenia Miranda in der Kugel gezeigt hatte. Vorsichtig umschloss sie ihn mit ihrer Hand. Er fühlte sich glatt und kühl an.
»Wer seid Ihr?«, rief die Hexe nervös und forschte in jedem Winkel der kleinen Kammer nach dem Ursprung der geheimnisvollen Stimme. »Zeigt Eure Gestalt oder ich werde Euch bannen!« Die Hexe klang nun gar nicht mehr kühl und überlegen, sondern plötzlich sehr schrill, fand Mira.
»Du kannst vielleicht ein paar Kindern oder deinem armen Diener Angst machen, aber ganz sicher nicht mir.« Die Stimme war nun etwas leiser und hörte sich eher belustigt an.
»Wo seid Ihr?«, fragte die Hexe gereizt und ihre Augen wanderten unruhig hin und her.
»Ich bin nicht hier und kann dich doch sehen!«, sagte die Stimme triumphierend. »Und ich sehe bis auf den Grund deiner Seele, Pia. Ich sehe alles. Immer.« Die Hexe zuckte zusammen. »Was wollt Ihr von mir?«, fragte sie und starrte zornig in die Luft.
»Das Buch ist nicht bei den Kindern! Lass sie gehen!«, antwortete die Stimme sanft.
»Woher wisst Ihr das so genau?«, schrie die Hexe zurück.
Die Stimme brach in Gelächter aus. »Das ist nicht wichtig, Pia. Ich beobachte dich schon lange. Du bist besessen von deiner Suche nach dem Buch. Aber all deine Anstrengungen, deine Bosheit oder deine Gelehrsamkeit werden dir nichts nützen. Das Buch ist nicht für dich bestimmt. Deshalb wird es auch nie in deine Hände gelangen!«
Alles Blut wich aus dem Gesicht der Hexe. »Ihr lügt! Verschwindet, wer auch immer Ihr seid!«, kreischte sie. Die Stimme lachte amüsiert. »Wer bist du, dass du mir Befehle geben kannst?«
In diesem Augenblick streckte Xenia ihren Arm aus und deutete mit zitternder Hand über den Kamin. »Der Spiegel!«, rief sie, »die Stimme kommt aus dem Spiegel. Es ... es hat mich schon einmal jemand von dort beobachtet!«
Alle im Raum blickten nun auf den großen, alten Wandspiegel über dem Kamin. Die Hexe trat dicht an die glänzende Oberfläche heran und sah ihr Spiegelbild grimmig an. »Na los!«, sagte sie leise in das Glas hinein. »Sprecht weiter!«
Doch die Stimme kam nicht zurück.
Da ging die Hexe mit entschlossenen Schritten zum Schreibtisch, nahm von dort den Briefbeschwerer mit dem toten Schmetterling, holte weit aus und schleuderte ihn gegen das fleckige Glas.
Nun passierten gleich mehrere Dinge gleichzeitig. Der Spiegel zerbarst in Hunderte von glänzenden, blitzenden und funkelnden Scherben und der Briefbeschwerer fiel mit einem dumpfen Schlag zu Boden. Er zerbrach in zwei Hälften und gab den wunderschönen, bunt
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