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Mira und der weiße Drache (German Edition)

Mira und der weiße Drache (German Edition)

Titel: Mira und der weiße Drache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Ruile
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war Mira äußerst unangenehm, denn sie konnte nirgends ausweichen. Hinter ihr stand der Schreibtisch, auf dem das Notizbuch lag, in dem das Silbermännchen noch vor wenigen Minuten gelesen hatte. Die Hexe folgte Miras Blick, klappte das Notizbuch eilig zu und stopfte es in eines der ohnehin schon heillos überladenen Bücherregale.
    »Vor ein paar Monaten stieß ich beim Übersetzen auf eine alte Geheimschrift«, fuhr sie fort. »Es dauerte eine Weile, bis ich sie enträtselt hatte. Aber dann hielt ich einen kleinen Schatz in den Händen. Die Schrift beschrieb genau, wo und zu welchem Zeitpunkt die Metamorphosen wieder auftauchen sollten. Das war es, wonach ich seit Jahren suchte. Und jetzt war es so greifbar nah!«
    Mira kratzte sich am Kopf. »Aber«, sagte sie und wunderte sich, dass ihre Stimme so dünn und kratzig klang. »Warum haben Sie sich das Buch dann nicht einfach selbst geholt?«
    Die schwarze Hexe seufzte. »In der geheimen Schrift hieß es auch, dass nur der Spruchbewahrer der weißen Zauberer das Buch finden kann.«
    »Deshalb haben Sie also Miranda den Zettel mit der Nachricht übergeben, die sie zum Buch führen sollte«, rief Mira aus. Die Hexe lachte freudlos. »Wie gut, dass die Spruchbewahrerin ein dummes kleines Mädchen war, dachte ich mir!« Sie schüttelte den Kopf. »Es sähe den weißen Zauberern ähnlich, so jemandem diese wichtige Aufgabe zu übertragen.«
    »Miranda ist nicht dumm«, rief Mira aufgebracht. »Natürlich nicht!«, sagte die Hexe und lachte wieder ihr graues Lachen. »Ich ließ sie überwachen. Tag und Nacht. Dir fiel nichts Besonderes auf, als du in die Burg spaziert bist?« Mira schüttelte den Kopf. »Nun«, sagte die schwarze Hexe spöttisch. »An jenem Tag, als Miranda sich auf den Weg machte, das Buch aus der Burg zu holen, war die ganze Burganlage voll mit schwarzen Zauberern. Wir warteten alle auf ein rothaariges Mädchen, das aus der Burg spazieren würde. Sie hätte das wertvolle Buch keine fünf Minuten besessen. Aber sie kam nicht. Stattdessen ...«, die Hexe machte eine kleine Pause und blickte Mira mit einer Mischung aus Boshaftigkeit und Neugier an. »Stattdessen kamst du.«
    »Und keiner hat sich für mich interessiert, als ich die Burg verließ«, rief Mira aus.
    Die Hexe blickte sie an. »Warum auch? Wir warteten alle auf ein rothaariges Hexenmädchen, dem wir das kostbare Buch abnehmen wollten.«
    Sie starrte Mira an. »Aber jetzt weiß ich, dass du das Buch für sie mitnehmen solltest. Das war sehr klug eingefädelt. Sag, was hat sie dir dafür versprochen? Etwas aus dem unerschöpflichen Schatz ihrer Zauberkünste?« Sie lachte kurz auf. »Oder durftest du mit ihr einmal um den Block fliegen? Hat sie dir etwas von den überaus edlen und großzügigen weißen Zauberern erzählt? Und was für hässliche, böse und gemeine Kreaturen die schwarzen Zauberer sind?«
    Miras Kehle fühlte sich wie ausgetrocknet an. Die schwarze Hexe kam nun ganz nah an sie heran. Sie roch nach einem schweren süß-herben Parfüm, und Mira wünschte sich sehnlichst, sie würde sie endlich in Ruhe lassen.
    »Ich kann dir alles bieten, Mira! Geheime Zauberkünste, an die du nicht zu denken wagst. Wissen, das du nicht mehr erwerben musst.«
    Miras Herz klopfte so laut, dass sie Angst hatte, es könnte sie verraten.
    »Also, wo habt ihr beide das Buch versteckt?«, fragte die schwarze Hexe und ließ sie dabei nicht aus den Augen. »Ich habe jeden Winkel deines Zimmers durchsucht. Aber von dem Buch keine Spur.«
    Mira räusperte sich. Nur gut, dass sie dem Rat der alten Hexe Fa gefolgt war und sich nicht verwandelt hatte, denn dann könnte die Hexe in ihr lesen wie in einem Buch.
    »Du zögerst …«, fragte die Hexe und entfernte sich wieder von Mira. Ihr Gesicht sah nun sehr knochig aus und ihr Blick schien Mira zu durchbohren. »Dann sollst du noch eines wissen: Ich habe weder mit Geistwesen noch mit Menschen viel Geduld!«
    Die Hexe starrte für einen Moment ins Feuer. Es war ganz still. Durch die gekippte Dachluke mischte sich das Rauschen des Verkehrs mit dem Rauschen des schwarzen Flusses. Im Kamin knackte ein Holzscheit. Miras Hände waren nun eiskalt, und sie ballte sie zu Fäusten, um das aufkommende Gefühl von Schwindel zu unterdrücken. In diesem Moment ertönte ein langes Kreischen und kurz darauf polterten eilige Schritte die Treppe hoch. Die Hexe wandte sich verärgert von Mira ab und ging zur Tür. Gerade als sie sie öffnen wollte, stürzte Xenia in die Kammer und

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