Mira und die verwunschenen Kugeln (German Edition)
graue Karte heraus.
LIES MICH!, brannte da in hellen blauen Buchstaben. Heller, als Mira es je zuvor gesehen hatte.
Sie seufzte. Warum nur kam dieses Silbermännchen nie, wenn man es brauchte, und erschien immer dann, wenn es am allerwenigsten passte? *
»Was ist das?«, fragte Rabeus.
»Das ist nur die Karte des Silbermännchens. Es will wohl, dass ich es beschwöre«, erklärte Mira.
»Du besitzt ein Geistwesen?«, fragte Rabeus erstaunt.
»Ist das denn so ungewöhnlich?«
Rabeus nickte. »Ziemlich! Normalerweise haben so was nur mächtige schwarze Zauberer.«
Der Schein der Buchstaben erhellte nun die ganze Halle.
»Wenn es weiterhin so glüht, wird es uns noch verraten«, sagte Rabeus aufgeregt. »Am besten, du beschwörst es und sagst, es soll gleich wieder verschwinden.«
»Hm«, murmelte Mira unsicher. Rabeus hatte wohl noch nie mit einem Geistwesen gesprochen.
»Ich werd’s versuchen«, willigte sie schließlich ein. Sie legte die Karte auf einen großen Stein neben dem Wasser und hielt sie mit Daumen und Zeigefinger fest.
»Lies mich«, flüsterte sie und blies darauf.
Die Buchstaben glühten blau, dann schwebten sie einen Moment über der Karte und formten schließlich die Gestalt des Silbermännchens. Auch diesmal lupfte es eine große, durchscheinende Ballonmütze und verneigte sich kurz. Dabei leuchtete es hell und warf seinen silbernen Schein auf die Wellen des schwarzen Wassers.
»Die Geschichte ist fertig!«, sagte es und sah Mira erwartungsvoll an.
»Oh«, sagte Mira überrascht. »So schnell!«
Hinter sich spürte sie, wie Rabeus nervös mit den Fingern auf einen Stein trommelte.
Das Silbermännchen nahm ein glänzendes, altmodisches Feuerzeug aus seiner Hosentasche und entzündete sich damit zufrieden eine blau schimmernde Pfeife.
»Eben gerade ist mir der Schluss eingefallen.« Es hob abwehrend die Hände, als Mira gerade anfangen wollte zu sprechen. »Ich weiß, ich weiß. Ich habe länger gebraucht, als vereinbart war. Es muss dich auf eine lange Geduldsprobe gestellt haben!«
»Nun ...«, sagte Mira.
»Dafür verspreche ich dir, dass die Geschichte gut geworden ist. Ich habe all meine Kunst und meine Seele hineingelegt.« Das Silbermännchen glühte nun.
Seine Wangen waren ganz dunkelblau und seine Haare leuchteten silbern.
»Erst habe ich gedacht, ich trage alles in Reimform vor. Aber dann war ich mir nicht sicher, ob du das verstehst.«
Der Silbermann sah Mira mit einem Stirnrunzeln an.
»Es ist nur so, dass ...«, begann Mira vorsichtig.
Er schien sie gar nicht zu beachten. Stattdessen blies er kleine silberne Rauchwolken in die Luft.
»So habe ich erst einige Zeit mit dem Dichten verbracht. Dann musste ich alles wieder verwerfen, weil es mir ungeeignet erschien. Aber nun ...«
Er trat vor und verbeugte sich abermals – diesmal viel feierlicher als zuvor.
»Nun bin ich bereit, meine Geschichte zu erzählen.«
In diesem Moment drängte sich Rabeus an Mira vorbei und sah auf das kleine Geistwesen herab.
»Hören Sie! Wir haben jetzt keine Zeit für so was«, sagte er verzweifelt. »Wir sind in größter Gefahr! Die schwarzen Zauberer können uns jeden Moment entdecken, wenn Sie weiterhin so glühen.«
Es entstand eine längere Pause, in der das Silbermännchen eine eigentümlich dunkelblaue Farbe annahm.
»Wer ist das?«, fragte es Mira schließlich und deutete mit seinem Kopf auf Rabeus.
Mira räusperte sich. »Das ist mein Freund Rabeus.«
»So, so«, sagte das Silbermännchen. »Ich nehme an, ein Zauberer?«
Rabeus nickte und trat von einem Bein auf das andere.
Das Silbermännchen sah nun geradewegs zu ihm hoch. »Merke dir eines, Zauberer. Wenn du dazu überhaupt imstande bist. Gerade wenn man in Gefahr schwebt, muss man die Zeit haben, sich eine Geschichte anzuhören, gerade dann!«
»Ja, schon ... aber ...«, sagte Rabeus und wurde ein bisschen rot.
»Gut, dass du das einsiehst«, unterbrach ihn das Silbermännchen. »Aber wenn es dich glücklich macht, dann werde ich natürlich ein wenig dunkler.« Wie bei einer Lampe, die man dimmen konnte, nahm nun auch sein Licht ab. Das Silbermännchen war nicht mehr strahlend blau, sondern glimmte dunkel. Als wäre es ein Holzscheit, das von einem kleinen, tanzenden, blauen Flämmchen verzehrt wurde.
Dann sah sich das Silbermännchen um. Als es die Zeichnung des Drachen über dem Tunneleingang entdeckte, blitzten seine Augen auf.
»Ah, es ist gut, diese Geschichte hier zu erzählen«, sagte es. »Die Spur
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