Mira und die verwunschenen Kugeln (German Edition)
flackerte verärgert. » Natürlich hat das Geistwesen dieses Gedicht geschrieben. Der Gaukler konnte zwar schauspielern und fabelhaft zeichnen, aber nie, nicht einmal im Traum hätte er ein solches Gedicht schreiben können!«
Das Silbermännchen straffte sich. »Wie auch immer! DasGedicht hat jedenfalls seinen Zweck erfüllt, und das Mädchen willigte ein, den Gaukler zu sehen. Keiner kann das Glück beschreiben, das sie empfanden, als sie sich das erste Mal heimlich trafen.«
Das Silbermännchen lächelte. »Der Gaukler ließ seine Truppe ziehen und blieb allein zurück. Da er sehr klug und beredt war – und nicht zuletzt viele gute Ideen von seinem Geistwesen bezog ...«, hier räusperte sich das Silbermännchen kurz, »... wurde er bald der Berater des Fürsten und lebte auf der Burg. Er ließ zahlreiche unterirdische Gänge anlegen – angeblich, um dem Fürsten im Belagerungsfalle Sicherheit zu bieten. In Wahrheit jedoch suchte er eine Möglichkeit, weiter heimlich das Mädchen zu sehen. Sie trafen sich hier unter der Erde. Und unter einen der geheimen Gänge schrieben sie sogar ihre Namen.«
»Arachonda und Cyril«, flüsterte Mira. »Die schwarze Hexe und der Drache!«
Das Silbermännchen verschränkte nun seine Arme und sah sie an. »Wie ich sehe, hast du diesen Gang schon benutzt!«
Mira nickte. »Das Rätsel war allerdings nicht ganz leicht.«
»Das sollte es auch nicht sein.« Das Silbermännchen lächelte zufrieden.
»Moment mal«, sagte Rabeus, der der Erzählung immer ungläubiger gefolgt war. »Wollen Sie damit sagen, dass diese Geschichte von der schwarzen Hexe und dem Drachen handelt?«
Das Silbermännchen zog kurz seine Augenbrauen hoch. »Gut, dass dein junger Zaubererfreund das nun auch bemerkt hat. Erwähnte ich schon, dass das Mädchen, ich meine natürlich Arachonda, sehr schön war?«
Mira nickte.
»Etliche Männer hielten um ihre Hand an. Doch sie wies alle ab, sehr zum Missfallen ihrer Familie. Schließlich bat Cyrilsie um ihre Hand. Doch, was war er schon? Ein armer Gaukler! Ohne Gold, ohne Grundbesitz, mit nichts als seinem hübschen Gesicht und seiner Klugheit. Arachondas Vater lachte nur und ließ ihn kurzerhand aus dem Haus werfen.
Cyril beschloss daraufhin auszuziehen und als reicher Mann wiederzukehren, um Arachonda endlich heiraten zu können. Er hatte von drei Kugeln im fernen Persien gehört, die seinem Besitzer Macht und Reichtum bringen würden.«
» Die Kugeln des Drachen !«, rief Mira.
Das Silbermännchen nickte ernst. » Die Kugeln des Drachen, ja, so nannte man sie später. Cyril plante, die Kugeln zu holen und nach spätestens einem Jahr wiederzukommen. Arachonda wollte nicht, dass er ging. Sie beschwor ihn zu bleiben, doch er war des ewigen Versteckspiels müde.
Und so zog er eines Morgens im Herbst davon und versprach, dass er nach einem Jahr wiederkommen würde. Arachonda begleitete ihn bis zur Brücke. Dort setzte sie sich ins hohe Gras und sah, wie er den langen Weg den Fluss hinunterging. Allein.
Sie wartete ein Jahr. Als die Blätter sich im darauffolgenden Herbst verfärbten, stand sie wieder an der Brücke. Einen langen Tag und eine lange Nacht. Doch von Cyril war nichts zu sehen.
Arachonda ging nun jeden Tag zum Fluss. Sie sah die Blätter von den Bäumen fallen und wie das Land mit Schnee bedeckt wurde. Sie sah, wie die Kinder auf den gefrorenen Kanälen Schlittschuh liefen, und sah, wie das Eis wieder schmolz und weiße und rosa Blüten die Bäume schmückten. Doch Cyril kam nicht zurück.
Sie wartete noch ein Jahr und noch ein weiteres.
Sie flocht sich keine bunten Bänder mehr ins Haar, trug nurnoch schwarze Kleider und fühlte sich einsamer, als sie es jemals zuvor gewesen war. Nichts freute sie mehr. Sie wurde einsilbig und wortkarg, sprach nicht mehr mit den Figuren und flog nie mehr durch die Lüfte.
Eines Tages flüsterten ihr die Brunnenfiguren ein, die jeden Tratsch und Klatsch von den Schwalben erfuhren, dass Cyril in Persien geblieben sei und eine reiche Königstochter geheiratet habe. Es war das übliche Geschwätz und Getratsche von Brunnenfiguren, die sich noch dazu an Arachonda rächen wollten, weil sie nicht mehr mit ihnen sprach.
Doch dieses bisschen Klatsch reichte schon aus, um in Arachonda den Zweifel zu säen. Die vielen Monate und Jahre des Wartens taten ihr Übriges. So gab sie schließlich dem Werben eines reichen Kaufmanns nach, der um ihre Hand angehalten hatte. Er war ein Freund von Arachondas Vater, reich und
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