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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Tod.
    Wikander hatte sein Gleichgewicht überraschend schnell wiedergefunden und mit Schmerz den Hieb des Prinzen pariert. Jetzt ging er selbst zum Angriff über. Dank der größeren Reichweite seines langen Schwertes vermochte er den Vorteil des höher stehenden Kontrahenten auszugleichen. In schneller Folge attackierte er ihn mit mehreren Schlägen. Twikus konnte nicht viel mehr tun, als sich mit eher verzweifelten als überlegenen Paraden zu retten. Plötzlich zielte Wikander mit einem gewaltigen Streich auf die Beine seines G e gners. Nur durch einen beherzten Sprung brachte sich Twikus gerade noch in Sicherheit – für einen seltsam entrückten Moment schwebte er wie schwerelos über dem Schollenmeer und fühlte sich in seinen Traum von der schwarzen Lohe versetzt –, woraufhin sich die dunkle Kristallklinge in die Knochenmauer fraß und darin stecken blieb.
    Die Füße des Prinzen landeten wieder sicher auf der Treppe. Sein Oheim zog und zerrte an dem Schwert. Twikus witterte seine Chance und ging zum Gegenangriff über. Himmelsfeuer sauste von oben auf die rechte Schulter des Königs herab und hätte zweifellos auch dessen Schwertarm vom Leib getrennt, wenn Wikander nicht im allerletzten Augenblick seine Klinge doch noch freibekommen hätte. Mit Schwung fuhr Schmerz nach oben und traf sich mit Zijjajim. Die Schwerter klirrten, als würden sie in Millionen Scherben zerspringen.   
    Das ohrenbetäubende Geräusch wollte gar nicht mehr aufhören, während der Prinz sein Schwert nach unten und Wikander das seine nach oben drückte. Zijjajims grünes Strahlen triumphierte nur dem Anschein nach über den dunklen Kristall von Schmerz. In Wirklichkeit wendete sich das Blatt und Twikus drohte zu unterliegen.
    »Herr der himmlischen Lichter, hilf mir!«, flehte Twikus mit zusammengebissenen Zähnen, als er machtlos mit ansehen musste, wie seine Klinge immer weiter herumgedrückt wurde. Schon kreuzten sich die zwei Schwerter senkrecht in der Luft. Mit einem schnellen Schritt überwand der König eine weitere Stufe und war jetzt mit seinem Gegner auf gleicher Höhe. Unter dem flatternden Banner standen sie Auge in Auge und maßen ihre Kräfte. Wikander war nicht nur ein geübterer Schwertkämpfer als Twikus, sondern auch stärker. Der Jüngere konnte nicht verhindern, vom Älteren in die Knie gezwungen zu werden.
    Vor Anstrengung kniff Twikus für einen Moment die Augen zu und fasste den Entschluss, noch einmal die alte Gabe einzusetzen. Nicht gegen seinen Oheim wollte er sie lenken, sondern in das gläserne Schwert. Als er die geballte Macht seines Willens freiließ, erlebte er eine Überraschung. 
    Die beiden Schwerter veränderten sich. Sie wurden geschmeidig und wickelten sich umeinander wie zwei Schlangen, die einen seltsamen Liebestanz aufführten.
    Damit hatte Wikander nicht gerechnet. Sein Angriff verlor für einen Moment an Gewalt. Twikus wusste, dass dies womöglich seine allerletzte Chance war, als Sieger aus dem Zweikampf hervorzugehen. Mit einem Ruck, in den er seine ganze Muskelkraft legte, zog er an Zijjajims Blütengriff und bekam das Schwert frei. 
    Ja, mehr noch, er entriss sogar Wikander die dunkle  Kristallklinge. Aber die Wucht, mit der Twikus sich befreit  hatte, wandte sich augenblicklich gegen ihn. Ja schlimmer noch, sie verbündete sich mit dem ungestümen Wind. Seine Arme waren über die linke Schulter nach oben geflogen. Um das Gl e ichgewicht wiederzuerlangen, hatte er sich flink wie ein Wiesel mehrere Stufen vor dem Gegner zurückgezogen, aber vergebens. Eine starke Bö drückte ihn weiter herum, weg vom Turm. Hinzu kam eine überraschende Schwere, die ihn nach unten zerrte – als ob Schmerz ihn ganz bewusst in den Abgrund ziehen wollte? So schnell, wie nur ein Gedanke sein und so klar wie nur ein Durchdringer kommende Ereignisse vorhersehen kann, wurde ihm bewusst, dass seine Befreiungsaktion zu heftig gewesen war. Nur einen Herzschlag später würde er endgültig sein Gleichgewicht verlieren und von der Treppe fallen. Twikus tat das einzig Richtige.
    Er ließ den Blütengriff los.
    Der Verlust der beiden Schwerter war für ihre Besitzer gleichermaßen erschütternd. Ohne ein Wort der Verhandlung legten sie eine Kampfpause ein, die so lange dauerte, bis die beiden Kristallklingen in der schäumenden Gischt am Fuße der Klippe verschwunden waren. Ihr Sturz entlang des Knochenturms und hinab an dem steilen Felsen dauerte erstaunlich lang. Erst kurz bevor die zwei Schwerter ins Meer

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