Mirad 02 - Der König im König
ihm. Ein Leibgardist rempelte ihn an.
»Ist der Zoforoth noch da draußen?«, brüllte Twikus.
Der Mann sah ihn verständnislos an.
»Der Chamäleone.«
»Wer seid Ihr überhaupt?«, grunzte der Soldat und ließ einen geringschätzigen Blick von Twikus’ goldbestickten Stoffschuhen über den schwarzgrünen Seidenanzug bis zu dessen sonnenblondem Haarschopf wandern.
Einmal mehr fragte er sich, ob er womöglich in einem susanischen Nachtgewand in die Schlacht zog. Mit so fester Stimme wie möglich antwortete er: »Der König von Soodland.«
»Ah!« Damit hatte sich der Mitteilungsdrang des Mannes auch schon erschöpft.
Unterdessen wurde Twikus durch das Tor geschoben. Er kam sich in dem Gedränge wie ein Stück Treibholz vor. An den steinernen Pfeilern auf beiden Seiten bemerkte er glänzende Blutflecken. Hier hatte sich Kaguan also den Durchlass erkämpft, bevor er von den Bogenschützen aufgehalten worden war.
Auf der anderen Seite der Mauer nahm das Gewühl sogar noch zu, weil der ständige Zustrom an Soldaten irgendwo weiter vorne gestaut wurde. Das Klappern der Waffen, das Gemurmel und das Gebell der Hauptleute vereinten sich zu einer brausenden, nervenaufreibenden Gischt aus Geräuschen. Twikus sah Helme und Lanzen, aber weder Kaguan noch die Prinzessin. Er wurde von einer neuen Strömung erfasst, die ihn über eine Brücke trug, welche einen Wassergraben überspannte. Dann löste sich das Gewimmel unvermittelt auf, weil die Soldaten sich beiderseits des Grabens verteilten.
Jetzt erst wurde ihm bewusst, dass er auf einen schmalen, moosbedeckten Landstreifen gespült worden war, hinter dem sich ein weiterer Wassergraben erstreckte. Es gab nur einen Weg, um diesen zu überqueren: eine weitere Brücke.
Und auf dieser standen Nishigo und Kaguan.
Der Zoforoth hatte mit der verbliebenen Nebenhand den Hals der Prinzessin umfasst und drückte sie dicht an seinen Schuppenkörper. Das Schwert Schmerz reckte er drohend den Bogenschützen auf der Mauer entgegen.
Mindestens sechs Dutzend Soldaten hatten am anderen Ende der Brücke Stellung bezogen. Einige reckten dem Chamäleonen lange Lanzen mit gebogenen Klingen entgegen, andere zielten mit Pfeil und Bogen auf ihn. Seine Furcht erregende Stimme hallte zu den Truppen herüber.
»Ich wiederhole mich nur ungern, aber ehe der erste Pfeil mich trifft, ist die Prinzessin tot.«
Twikus drängelte sich zwischen den Männern hindurch. Niemand hielt ihn auf. Dann hatte er es endlich geschafft. Er stolperte aus der vordersten Reihe heraus, was nicht unbemerkt blieb. Ein Gemurmel ging durch die Truppe.
Zwischen ihm und der Brücke befand sich jetzt nur noch eine einzige Person. Es handelte sich um einen älteren, untersetzten Mann mit dünnem Bart. Er trug lediglich ein gebogenes Susanschwert, aber keine Rüstung. Wie sein buttergelbes, golddurchwirktes Gewand vermuten ließ, gehörte er einem höheren Stand an. Seine Statur war nicht sehr groß, aber er verfügte über eine ziemlich gebieterische Stimme.
»Und ich sage es noch ein letztes Mal: Wenn Ihr der Prinzessin auch nur ein Haar krümmt oder Eure Stimme zum Gesang erhebt, dann werdet Ihr mit Pfeilen gespickt.« Offenbar hatte Múria, Falgon oder ein anderer aus der Gemeinschaft des Lichts den Susaner schon vor der gefährlichen Gabe des Zoforoths gewarnt.
»Das nennt man dann wohl eine typische Pattsituation, mein lieber Koichi«, erwiderte Kaguan. Er klang nicht im Geringsten beunruhigt. Mit seiner linken Haupthand deutete er auf Twikus. »Und daran werden auch die Söhne der zwei Völker nichts ändern.«
Der Oberste der Leibgarde wandte sich um und musterte den luftig bekleideten Ankömmling missbilligend. »Meint diese Kreatur etwa Euch? Nennt mir Euren Namen.«
Das Gemurmel in der Schlachtreihe verstummte. Dutzende von Ohren wurden gespitzt.
»Ich bin Twikus von Sooderburg, einer der beiden Könige von Soodland. Und mit wem habe ich die Ehre?«
Der Gefragte wirkte nicht sonderlich beeindruckt. Unter Beibehaltung des barschen Tons entgegnete er: »General Koichi, Kommandant der Leibwache des Mazars von Susan. Ihr habt Euch den denkbar schlechtesten Zeitpunkt ausgewählt, um Euch vorzustellen, Hoheit.«
»In den meisten Königreichen des Herzlandes würde Eure unverschämte Antwort genügen, Euch aufs Schafott zu befördern General«, sagte Twikus kühl, »aber ich bin eigentlich gekommen, um den Zoforoth zur Strecke zu bringen.«
»Ha!«, lachte Koichi. »Ich habe schon gehört, dass Ihr ein
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