Mirad 02 - Der König im König
Gardisten, Popi.
Oramas III. wirkte einigermaßen irritiert, was sich auch nicht wesentlich änderte, nachdem der junge König den Störenfried als seinen Schildknappen vorgestellt hatte. Popi durfte dann aber doch näher treten, die Leibwächter blieben vor der Tür zurück.
»Was gibt es?«, fragte Ergil ungnädiger, als es in seiner Absicht lag.
Der Schildknappe musste sich zwischenzeitlich mit den Sitten und Gebräuchen des Landes vertraut gemacht haben. Er verbeugte sich halsbrecherisch tief, ließ sich auf die Knie sinken und erklärte schwülstig: »Mein König, ich bringe frohe Kunde!«
Ergil konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, das untertänige Gehabe bereite Popi ein geradezu diebisches Vergnügen. Zum Schein ging er darauf ein und erwiderte: »Sprich geschwind, mein treuer Knappe. Habt Ihr Nachricht von der Prinzessin?«
Múria rollte die Augen zur Decke.
»Leider nein, mein König. Doch wie Ihr wisst, bin ich der Herrin Múria in der Schmiede der Bartarin bei der Versorgung der Verletzten behilflich gewesen. Von dort bringe ich einen jungen Mann mit einer Kopfwunde. Seine Mutter hat ihn zu der Heilerin schicken wollen und weil die Herrin nicht abkömmlich war, habe ich mich seiner angenommen.«
»Ich schätze Eure Sorge um die Nöte des gemeinen Volkes, mein treuer Knappe. Gleichwohl sind wir nicht nach Silmao gekommen, um sämtliche Kranken der Stadt zu heilen.«
Popis Mundwinkel zuckten. »Mein König, ich hätte Euch, den Mazar und die anderen edlen Herren nie zu stören gewagt, wenn dieser Mann nicht von besonderer Wichtigkeit für Euer Unterfangen wäre.«
Múria stöhnte. »Red nicht länger um den heißen Brei herum, Popi. Wer ist der Verletzte?«
Der kleine Knappe sah sie beleidigt an und antwortete: »Tiko.«
»Du meinst, der Tiko? Kubukus Jüngster?«
»Ja, Herrin.«
Oramas III. reckte sich auf dem Kissenberg. »Redest du etwa vom Sohn des Patriarchen der Bartarin, Knappe Popi?«
Der Gefragte – immer noch kniend – verneigte sich tief in Richtung des Mazars. »Jawohl, Majestät.«
»Wo ist er jetzt?«
Popi deutete zur offenen Schiebetür in der Papierwand. »Draußen.«
»Dann nichts wie herein mit ihm!«
Der Schildknappe krabbelte wie ein Trebekrebs in Richtung Gang, erhob sich in sicherem Abstand zum Mazar, lief hinaus und winkte jemanden heran. Ein junger Mann erschien in der Tür. Er hatte etwa Popis Größe und trug einen schmutzigen Kopfverband. Der Knappe führte ihn ins Dachgemach und nachdem beide wieder das Verbeugungs-und-Kniefall-Ritual aufgeführt hatten, stellte er ihn den Anwesenden als »Tiko, Sohn des Kubuku, vom Geschlecht der Bartarin« vor.
Obwohl Twikus in der Waffenschmiede die Kontrolle über den gemeinsamen Körper gehabt hatte, war auch Ergil Zeuge des Geschehens gewesen. Gemeinsam hatten sie den Mann mit der Kopfwunde gesehen, der aus der Werkstatt gekommen und dann spurlos verschwunden war. Sein blutüberströmtes Gesicht hatte ihn unkenntlich gemacht. Doch von der Statur her könnte es derselbe sein, der jetzt auf dem Boden kniete und seinen Herrscher nicht anzublicken wagte.
»Seht mich an und nennt mir Euren Namen«, forderte Oramas den jungen Mann auf.
Tiko hob den Oberkörper, setzte sich auf seine Fersen und wiederholte mit einer zwar hellen, aber dennoch vollen Stimme, was zuvor schon Popi gesagt hatte.
Ergil schätzte Kubukus jüngsten Sohn auf Mitte bis Ende zwanzig. Seine glatten, dunklen Haare und die Mandelaugen verliehen ihm das typische Aussehen eines Susaners. Er trug noch dasselbe ärmellose und blutverschmierte braune Lederwams und die Hosen gleichen Materials, die er im Kampf gegen Kaguan angehabt hatte. Obwohl er äußerlich bei weitem nicht so kräftig gebaut war wie Dormund, bemerkte Ergil doch die muskulösen und sehnigen Arme des jungen Waffenschmieds.
»Ich freue mich, Euch lebend zu sehen, mein Sohn«, erklärte der Mazar überraschend sanft. »Wir verdanken den Bartarin unvergleichliche Meisterstücke der Schmiedekunst, die ganz Susan zur Ehre gereichen. Das Oberhaupt der Bartarin war im Palast stets willkommen. Ihr seid noch sehr jung, Tiko, aber als letzter Sohn Eures Geschlechts tretet nun Ihr dieses bedeutende Erbe an.«
Wieder verneigte sich der junge Mann. »Ihr seid zu gütig, Majestät.«
Oramas ließ sich zu einer abwiegelnden Geste herab. »Ehre, wem Ehre gebührt. Doch nun zu etwas anderem, das Ihr für Euch behalten werdet. Meine Tochter wurde von dem Zoforoth Kaguan entführt und vielleicht könnt
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