Mirad 02 - Der König im König
Bemühungen um tröstende Worte für den niedergeschlagenen jungen Schmied Ergils Geduld auf eine harte Probe stellten.
»Seid bedankt für Euren Bericht, Tiko Bartarin. Eure Sorge in Bezug auf die Frage der Ehrbarkeit Eures Verhaltens im Kampf gegen den Zoforoth ist eines Sohnes Susans würdig. Ihr habt nichts beschönigt, wie ich es bei meinen Höflingen allzu oft erlebe, und diese Ehrlichkeit schätze ich sehr. Lasst Euch von mir versichern, dass Euer Handeln in jeder Hinsicht klug und besonnen war. Außerdem ist es alles andere als feige, die persönlichen Befindlichkeiten zurückzustellen, um das Erbe der Ahnen zu bewahren.« Der Mazar beugte sich vor, fixierte den Waffenschmied aus seinen dunklen Augen und stellte endlich die alles entscheidende Frage: »Könnt Ihr tatsächlich, wie Ihr eben gesagt habt, den Zoforoth aufspüren?«
Einmal mehr bewegte Tiko seine Stirn in Richtung Teppich und antwortete, als er wieder aufrecht saß: »Meine Fähigkeiten sind zu bescheiden, Majestät, um die Spur Kaguans zu verfolgen, aber in Euren Schatzkammern liegt etwas verborgen, das Euch zu ihm führen kann.«
»Ich bin überrascht, dass sich die Bartarin in den bestbewachten Gewölben meines Reiches offenbar besser auskennen als mein Schatzmeister. In welchem der neunundneunzig Räume finden wir diesen geheimnisvollen Gegenstand?«
»In einem der ältesten, Majestät, in der neunten Kammer.«
»Die neunte…?« Der Mazar wirkte erschrocken. »Dieser Teil der Gewölbe stammt noch aus der Zeit, als der Alte Palast erbaut wurde.«
»So habe auch ich es von meinem Vater gelernt, Majestät. Es waren die Tage, als unser Urahn Tarin die Gunst Lin-Gans, des Gründers Eurer Dynastie, erwarb.«
»Es heißt sogar, die beiden seien Freunde gewesen.«
»So wird es auch in unserer Familie seit Generationen überliefert. Nachdem Tarin den Gott Magon mit dessen eigenem Schwert Schmerz erschlagen hatte, kehrte er vom Weltenbruch nach Schilmao zurück. Aus Magons Feste brachte er noch etwas anderes mit, eine Schrift, in der das Wesen des schwarzen Kristalls beschrieben wurde. Tarin nahm dieses Wissen Buchstabe für Buchstabe in sich auf, bis er die Geheimschrift auswendig kannte. Dann vergewisserte er sich von der Richtigkeit der erworbenen Kenntnisse. Er schmiedete den Griff des Kristallschwertes um, weil es für eine Menschenhand zu klobig war. Aus den Überresten des abgespaltenen Kristalls fertigte er eine Nadel mit einem Ginkgoblatt an ihrem oberen Ende. Sie ist ungefähr so lang wie das ursprüngliche Heft und besitzt eine besondere Eigenschaft: Wenn man sie auf Öl schwimmen lässt, richtet sie sich nach dem Schwert aus.«
Die Hand des Mazars umschloss die Phiole an seiner Halskette. »Ihr meint, so wie ein Kompass?«
»Ja, Majestät. Die Ginkgonadel vergisst niemals, woher sie stammt. Sie und Schmerz, so hat Tarin es uns überliefert, sind nur für unsere menschlichen Sinne getrennt. Tief in den Falten der Welt bleiben sie jedoch verbunden. Vielleicht ahnte unser Stammvater, was eines Tages geschehen könnte, jedenfalls versteckte er das Kristallschwert und die Ginkgonadel an verschiedenen Orten. Letztere übergab er zur Aufbewahrung seinem mächtigen Freund, dem Mazar. Der verbarg die Nadel in der neunten Kammer unter dem Alten Palast.«
Oramas hatte sichtlich Mühe, seinen Gleichmut zu bewahren. Als wehre sich sein Verstand noch gegen das Gehörte, fragte er: »Ich nehme an, Euer Vater, der tapfere Kubuku, hat Euch dieses Wissen anvertraut?«
»So ist es, Majestät.«
»Warum Euch, dem Jüngsten, und nicht seinem Erstgeborenen?«
»Gumo war zuerst in das Geheimnis eingeweiht, Majestät. Aber mein Vater hielt es später für angebracht, auch mich ins Vertrauen zu ziehen.«
Der Mazar betrachtete das von den Anstrengungen und Schmerzen gezeichnete Gesicht des jungen Schmieds. Dann nickte er. »Ich sehe schon. Ihr wollt mir die Gründe für Kubukus Entscheidung nicht verraten.«
»Sie haben weder etwas mit den jüngsten Geschehnissen zu tun, Majestät, noch können sie uns dabei helfen, Prinzessin Nishigo zu retten.«
Ergil bemerkte, wie General Koichi hörbar die Luft einsog. Wahrscheinlich erschien ihm Tikos Antwort ziemlich kühn.
Oramas lächelte jedoch nachsichtig, was für den Waffenschmied wohl als Freispruch zu deuten war. »Ich will nicht weiter in Euch dringen, mein Sohn. Die susanische Krone verdankt dem geheimen Wissen der Bartarin große Siege und viel Ruhm. Dennoch hatte ich mir erhofft, Ihr könntet uns
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