Mirad 02 - Der König im König
Prinzessin zu verhalten hatte. Unbegreiflicherweise fehlte in den Reiseberichten von Harkon Hakennase jeglicher Hinweis darauf. Etwas unbeholfen legte er den Arm um Nishigos Schulter und sagte sanft: »Komm, Nishi. Ich bringe dich hier raus.«
Sie sträubte sich nicht, schien seine Nähe sogar zu suchen. Nach ein paar Schritten fragte sie: »Twikus, was ist da eben passiert?« Ihre Stimme klang gedämpft, weil sie durch eine Lage Seide sprach, die sie sich vom Halsausschnitt über Mund und Nase gezogen hatte.
»Kaguan wollte dich umbringen und wir haben das verhindert.«
»Wir?«
»Ergil, Nisrah und ich.«
»Nisrah?«
»Ein Netzling.«
»Was ist das?«
»Ein Weberknecht.«
»Eine Spinne hat mich gerettet?« Sie klang entsetzt.
»Nisrah ist keine Spinne. Er ist nicht einmal ein Tier, sondern…«
»Au!«
»Was ist?«
»Ich habe mir den Fuß gestoßen.«
»Warte.« Twikus löste Zijjajim von seinem Gürtel und ließ es in seiner ganzen glühenden Pracht erstehen. Der Staubnebel erstrahlte in grünem Licht. Die Sicht wurde dadurch nur unbedeutend verbessert, trotzdem erfüllte die Maßnahme ihren Zweck: Die Prinzessin war beeindruckt.
»Ich hatte mir das Himmelsfeuer lange nicht so schön vorgestellt«, schwärmte sie und es klang, als wäre sie nie einem Chamäleonen begegnet, der ihr das Genick brechen wollte.
Das Paar stolperte weiter.
Scheinbar beiläufig fragte er: »Wusstest du, dass dieses Schwert einst Jazzar-siril gehörte, dem ersten König der Sirilim im Herzland-Zeitalter? Nur seine Nachkommen können Himmelsfeuer wecken.«
Alter Aufschneider, beschwerte sich Ergil aus dem Hintergrund.
Durch den glühenden Nebel hindurch sah Twikus den Schemen der Prinzessin. Ihr Gesicht wandte sich ihm zu. »Nein, das hattest du in der letzten Nacht noch nicht erwähnt.« Sie staunte.
»Ich bin… Äh, ich wollte sagen, mein Bruder und ich, wir sind Jazzar-sirils Nachfahren. Unsere Mutter Vania war eine Sirilimprinzessin.«
Du hast vergessen zu erwähnen, dass wir ausgezogen sind, um ganz Mirad vor dem Bösen zu retten, fügte Ergil trocken hinzu.
Diesmal sprach Nishigo erst wieder nach einer kleinen Denkpause. »Twikus?«
»Ja?«
»Du brauchst nicht vor mir mit dem Schwert, deinem Stand oder sonst etwas zu prahlen. Ich verdanke dir mein Leben, und das war kein Zufall. Du bist dieser hässlichen Kloakenkreatur nachgejagt, irgendwie zu mir auf die Klippe gekommen und hast lieber mich gerettet, als dem Chamäleonen das Kristallschwert zu entreißen. Ich habe dir im Palastgarten genau zugehört und kann mir vorstellen, was deine mutige Tat für dich und die Gemeinschaft des Lichts bedeutet. Mir ist heute mehr Güte zuteil geworden, als ich verdiene.«
»Das ist nicht wahr«, widersprach er heftig, obgleich Zweifel an ihm nagten. Múria würde ihn vermutlich vierteilen, wenn sie von Kaguans erneutem Verschwinden erfuhr.
»Doch!«, beharrte Nishigo. »Mein Leben kann nicht die ganze Welt aufwiegen. Ich bin nur ein Mädchen.«
»Manchmal finde ich die susanische Tugend der Selbstverleugnung reichlich übertrieben, Nishi. Falgon hat mich gelehrt, wer sich nicht selbst achtet, kann auch andere nicht achten.«
»Das musst gerade du sagen, wo du eben erst dein Leben aufs Spiel gesetzt hast, um mich aus den Klauen dieses Ungeheuers zu retten. Hast du je davon geträumt, ein Held zu sein, Twikus?«
»Ich? Na ja… Held ist vielleicht nicht das richtige Wort…«
Wie wäre es mit »Überheld«?, schlug Ergil vor.
»Also ja.« Nishigo klang belustigt. »Das habe ich mir schon gedacht. Ich weiß ja nicht, womit du dir sonst die Zeit vertreibst, aber ich finde, eben warst du außerordentlich heldenhaft. Für mich bist du von heute an mein Ritter.«
»Dein…?« In seinem Kopf explodierte ein Feuerwerk und pulverisierte den kurzen Rest des Satzes, den er hatte sprechen wollen. Seine Hand, die immer noch auf Nishigos Schulter lag, schien dabei Feuer gefangen zu haben. Zumindest war sie mit einem Mal erstaunlich heiß. Außerdem wurde sie rasch schwerer. Bald hatte sie das Gewicht von Blei. Überhaupt schien er nur noch aus Hand und Unterarm zu bestehen. Für den Rest seines Körpers hatte er jedes Gefühl verloren. Er spielte einen Moment lang mit dem Gedanken, dem Anstand des Ehrenmannes durch mehr Abstand zur Prinzessin Ausdruck zu verleihen, brachte es dann aber doch nicht übers Herz.
»Woran denkst du gerade?«, fragte Nishigo.
»Ich?«
Plötzlich ertönte über ihm aus dem Staubnebel eine andere
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