Mirad 02 - Der König im König
den Hals durch. Er zwang sie, den Inhalt eines Kristallkelches auszutrinken.
Kurz darauf erlitt sie einen Hustenanfall. Schaum trat vor ihren Mund und sie erschlaffte im Griff der Schergen. Achtlos ließen sie die Königin zu Boden fallen, um sich ihres toten Gemahls anzunehmen. Sie schleppten ihn aus dem Raum und schleiften ihn durch Gänge. Die Bilder flogen nur so über die Innenseiten von Twikus’ geschlossenen Lidern. Zuletzt sah er, wie sein Vater kopfunter am Knochenturm aufgehängt wurde. Eine Krähe landete auf dem Kinn des Leichnams. Als sie mit ihrem Schnabel nach dessen Augen pickte, wurde das grauenvolle Bild von einer Stimme fortgewischt, die vor Bosheit nur so triefte.
»Wollt ihr so enden, Söhne der zwei Völker?«, rief Magos.
Endlich fand Twikus die Willenskraft, sich auf den Rücken zu wälzen und wieder die Augen zu öffnen. Eine Antwort blieb er Magos schuldig, weil er sein nur noch glimmendes Lebenslicht für etwas Besseres aufsparen wollte. Unglücklicherweise wusste er nicht wofür.
Nach einer hinreichenden Bedenkzeit fügte Magos hinzu: »Ihr wollt also das Schicksal eures Vaters teilen. Dann müsst ihr nun sterben.«
Twikus sah sich schon mit dem Kopf nach unten am steinernen »Palisadenzaun« von Magos’ Feste hängen. Das Gefühl der Ausweglosigkeit machte ihn wütend. Und dieser Zorn löste in seinem Geist einen Dammbruch aus. Sein fast schon erstarrter Verstand begann mit einem Mal zu brodeln. Die im Morast versunkenen Erinnerungen kamen wieder frei und aus dem kochenden Gesprudel schoss Ergils Plan wie ein Korken an die Oberfläche des Bewusstseins.
Als die Hände des dunklen Gottes nach den Beinen des Königs schnappten, grapschten sie ins Leere.
Twikus war, unter Aufbietung seiner letzten geistigen Reserven, erneut durch die Falten der Welt gesprungen. Er landete genau auf dem flachen Stein mit der markanten Rautenform.
Diesmal entdeckte Magos den Entsprungenen fast sofort. Er schickte seine Tentakelarme über das Eis, um ihn erneut einzufangen. Als sie Twikus erreichten, hatte er sich gerade erst auf den Bauch gewälzt. Abermals wurde er aufs schwarze Eis hinausgezerrt. Er schaffte es, seinen Oberkörper herumzudrehen, und schrie so laut er konnte.
»Wartet, Magos!«
Der dunkle Gott beachtete ihn nicht, sondern riss seinen Fang an den Beinen in die Höhe. Offenbar wollte er ihn wie einen zappelnden Fisch am eisharten Boden erschlagen.
»Tötet mich nicht, Magos! Ich will auch alles tun, was Ihr von mir verlangt!«, brüllte Twikus aus Leibeskräften.
Plötzlich hörte das brutale Gezerre auf. Er sank wieder tiefer und kam schließlich ganz zur Ruhe. Sein Kopf hing nach unten. Die Mütze hatte er längst verloren, ebenso die meisten Pfeile aus seinem Köcher. Eisige Böen zupften an seinem sonnengelben Haar. Etwa dreißig Fuß unter sich sah er den Riesenzoforoth.
»Woher der plötzliche Sinneswandel?«, dröhnte Magos.
»Es waren die Bilder vom Tod meiner Eltern, die mich zu Verstand gebracht haben«, erwiderte Twikus.
»Wieso sollten Wir dir und deinem Bruder trauen?«
»Weil wir Euch nützlich sein könnten. Aber wenn Ihr einen Beweis für unsere Ergebenheit wünscht, dann wollen wir ihn gerne erbringen. Was wünscht Ihr Euch am meisten von uns?«
Ein Moment des Schweigens trat ein. Twikus sah gespannt auf den – aus seiner Warte – kopfstehenden Gott. Die Gestalt verschwamm vor seinen Augen. Jetzt nicht ohnmächtig werden!, beschwor er sich selbst.
Ergil musste seine Gedanken zumindest erraten haben, denn er sagte rasch: Halt durch, Bruderherz! Und denk dran:
Mogos hat sich die ganze Zeit nicht von der Stelle gerührt und uns immer auf Abstand gehalten.
Ich hoffe nur, er zieht aus meinem Angebot auch die richtigen Schlüsse.
»Ihr verehrt Den-der-tut-was-ihm-gefällt, nicht wahr?«, unterbrach Magos den stillen Dialog.
Twikus schluckte. »Muss ich Euch darauf wirklich antworten?«
»Wenn ihr es tatsächlich ernst meint, dann huldigt Uns als eurem Gott, hier und jetzt.«
»Das könnte ich niemals…« Twikus wurde wieder nach oben gehoben und kreischte: »Halt, halt! Ihr habt gewonnen. Ich huldige Euch. Was muss ich tun?«
»Folge dem Beispiel Unseres treuen Kaguan. Er pflegt regelmäßig vor Uns niederzuknien.«
»Ich würde Euch ja gerne Euren Wunsch erfüllen, aber in meiner jetzigen Lage dürfte das ziemlich schwierig sein.«
»Was Ihr nicht sagt! Also gut. Dann beweist Uns eure Ergebenheit.«
Twikus wurde, ungefähr zehn Schritte von dem
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