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Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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ins Bewusstsein: Du stehst auf der Grenze zwischen Leben und Tod. Noch einen Schritt und deine Kräfte sind erschöpft.
    Plötzlich löste sich der Klammergriff und seine Fußgelenke waren wieder frei. Twikus drehte sich auf dem Eis wie eine lebendige Ginkgonadel zwei- oder dreimal um seine eigene Achse, bis sich sein Kopf zur Mitte des Kratersees ausrichtete. Benommen wälzte er sich auf den Bauch und stierte in Magos’ Richtung. Der Riesenzoforoth verschwamm vor seinen Augen.
    »Seid ihr so erpicht darauf, zu sterben?«, dröhnte Magos.
    Twikus antwortete nicht.
    »Ihr könnt für immer leben, wenn ihr es wollt«, setzte der dunkle Gott mit überraschend süßlicher Stimme hinzu. »Verbündet euch mit Uns. Nehmt die Stelle eures Oheims ein. Wikander war ein schwacher Mensch, aber ihr seid Söhne der zwei Völker. Wenn wir unsere Macht vereinen, wird Mirad für alle Zeit unser sein.«
    Er versucht nur Zeit zu gewinnen, weil du ihn geschwächt hast, meldete sich Ergil mit einem Mal. Ohne Schmerz ist er nur halb so stark.
    Um uns das Leben aus dem Leib zu walken, reicht’s anscheinend immer noch, entgegnete Twikus träge.
    Hast du nicht seine Worte gehört? Er wünscht sich unsere Unterstützung, um seine Macht zu festigen. Das bedeutet doch, dass er ohne uns schwächer wäre. Denke an meinen Plan, Twikus! Wenn wir schnell handeln, ehe Magos sich erholt hat, dann können wir ihn immer noch besiegen.
    Ich k-kann… k-kann nicht mehr klar denken, stöhnte Twikus innerlich.
    »Nun, wie lautet eure Antwort, Söhne der zwei Völker?«, fragte Magos ungeduldig.
    Der König stemmte sich auf die Beine, wandte dem dunklen Gott den Rücken zu und taumelte auf den Kraterrand zu. Er war erst wenige Schritte weit gekommen, als hinter ihm wieder die donnernde Stimme ertönte.
    »Ihr Narren!«
    Erneut wurde Twikus an den Füßen gepackt, umgerissen und über das Eis geschleift. Magos spielte mit ihm Katz und Maus. Aber auch diesmal holte der dunkle Gott ihn nicht ganz zu sich heran, sondern ließ ihn auf halber Strecke zwischen sich und dem Ufer los.
    Der König blieb wie tot liegen. Ein Gedanke tropfte wie Brei aus seinem Geist heraus: Wer Magos bezwingen will, darf nicht zögern, sein eigenes Leben zu opfern. Hatte seine Meisterin nicht einmal so etwas Ähnliches gesagt? Er konnte die Erinnerung aus dem klebrigen Grund seines Bewusstseins nicht mehr herauslösen.
    Der Plan!, schrie jäh Ergils Gedankenstimme und der am Boden Liegende zuckte vor Schreck wie unter Krämpfen.
    Kater Magos lachte. Offenbar hatte er seine Freude an der zappelnden Maus.
    Twikus öffnete die Augen. Welcher… Plan?
    Er lag wieder mit dem Gesicht nach unten und wunderte sich über das bunte Flimmern im Eis. Als sein Bruder erneut zu ihm sprach, hörte er so aufmerksam zu, wie es ihm sein dickflüssiger Verstand erlaubte. Danach hob er langsam den Kopf. Jetzt erst konnte er das Farbenspiel im Eis als eine Folge dahinhuschender Bilder erkennen.
    Sein Geist war weiter so unbeweglich wie ein am Stuhl gefesselter Gefangener, aber mit derselben Klarheit, wie ein solcher seine Peiniger zu sehen vermochte, wusste er plötzlich, was sich vor seinen Augen abspielte: Er blickte in ein Gemach auf der Sooderburg. Darin befanden sich sein Vater Torlund und seine Mutter Vania.
    Twikus’ Herz verkrampfte sich zu einem eisenharten Knoten, während er die Geschehnisse verfolgte, die er bisher nur aus Falgons und Múrias Erzählungen kannte. Lautlos breitete sich das Drama vor seinen schreckensweiten Augen aus.
    Vania wandte sich überrascht um und blickte Twikus direkt ins Gesicht. Ein Ausdruck des Entsetzens trat auf ihr Gesicht. Sie schüttelte den Kopf und ihre Lippen formten das Wort »Nein!«. Plötzlich sauste – immer noch ohne jegliches Geräusch – ein Pfeil durch die Luft und traf Torlund in die Brust. Der König brach zusammen.
    Voller Abscheu begriff Twikus, dass Magos ihm die Augen seines Oheims geliehen hatte. Er sah das Ende seiner Eltern aus Sicht des Mörders. Wikander beugte sich zu Vania herab, die weinend bei ihrem sterbenden Gemahl kniete. Brutal riss er sie von ihm weg.
    Andere Männer kamen hinzu und hielten sie fest. Er drückte ihr einen silbernen Dolch an die Kehle. Twikus konnte den Anblick nicht länger ertragen. Er kniff die Augen zu, aber zu seinem Schrecken sah er die Szene im Privatgemach des Königs immer noch hinter den geschlossenen Lidern.
    Dann geschah etwas Überraschendes. Wikander schnitt Vania nicht, wie es überliefert war,

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