Mirad 02 - Der König im König
Riesenzoforoth entfernt, erstaunlich behutsam auf dem Eis abgesetzt. Er kreuzte die Arme über der Brust und beugte in einer Geste der Demut sein Haupt.
»Tretet näher, damit Wir Eure Huldigung entgegennehmen können«, forderte ihn Magos auf.
Der König gehorchte. Wie ein im Verdursten begriffener Wüstenwanderer taumelte er auf den dunklen Gott zu. Die Entfernung zwischen ihm und dem sechsgliedrigen Schuppenwesen schrumpfte auf acht Schritte, dann fünf… Als es nur noch zwei waren, sagte Magos: »Das genügt!«
Twikus stolperte trotzdem noch einen Schritt weiter. Seine Beine knickten ein und er rutschte auf dem schwarzen Eis noch ein Stück weiter, bis er mit den Knien an Magos’ Chamäleonenfuße stieß.
»Verzeiht, Herr«, entschuldigte er sich mit lallender Stimme.
Magos lachte. »Anscheinend habt ihr wenig Übung in Unterwürfigkeit. Lasst eure Huldigung hören, damit Wir entscheiden können, ob sie Uns für die nächsten tausend Jahre annehmbar erscheint.«
Twikus blieb vorgebeugt und mit zum Boden gewandtem Gesicht vor dem dunklen Gott knien. Dadurch verdeckte sein Oberkörper die Hände und die Brust. Ein zähflüssiger Geist begab sich auf die Suche…
»Ihr seid der Herrscher dieser Welt«, begann er schließlich mit schwerer Zunge.
»Nicht schlecht für den Anfang«, lobte Magos. »Aber das können wir bestimmt noch besser.«
»Völkerscharen beten zu Euch und Könige beugen vor Euch ihr Knie.«
»Ja, ja, das wissen Wir schon. Aber wie steht es mit euch, ihr Söhne der zwei Völker?«
»Wir verdienen es nicht, mit Euch in einem Atemzug genannt zu werden, o Magos! Eurer Gnade sind wir ausgeliefert und wir lechzen danach, dass Ihr Euch zu uns herabbeugt, um uns zu segnen.«
Magos zeigte sich gerührt. Er neigte sich tatsächlich vor und hielt seine wiederhergestellte Hand über das Haupt des Königs. »Eines fehlt noch, um Uns zu zeigen, wie sehr ihr Uns verehrt, Söhne der zwei Völker.«
»Was immer Ihr wünscht, o Magos.«
»Der Herr der himmlischen Lichter hat euch im Stich gelassen, weil er zu schwach ist, um euch aus Unserer Hand zu befreien. Beweist eure Aufrichtigkeit, indem ihr ihn verflucht.«
Twikus zögerte. »Einen Fluch soll ich sprechen?«
»Ja. Sagt euch von ihm los, gleich jetzt und hier.«
Der König holte tief Atem, sammelte aus seiner gepeinigten Seele die letzten Fünkchen Kraft und seufzte: »So soll es sein, o Magos.«
Verstohlen zog er die Ginkgonadel aus einer Falte in seinem offenen Mantel hervor und stieß sie mit aller Kraft senkrecht nach unten. Der schwarze Dorn schien ins Eis einzudringen, aber in Wirklichkeit durchstach er die Falten der Welt. Als er wieder zutage trat, bohrte er sich ins Herz des dunklen Gottes.
Magos warf den Kopf zurück und brüllte vor Schmerz, dass die ganze Welt erbebte.
Mit schwacher Stimme und selbst für die eigenen Ohren unhörbar sagte Twikus: »Verflucht seist du, Magos, für alle deine Bosheiten. Möge Der-der-tut-was-ihm-gefällt dich binden und strenges Gericht an dir üben für alle deine Untaten.«
Der dunkle Gott verstummte jäh, als habe ihn der Fluch zu schwarzem Stein erstarren lassen. Für einen Moment war er nur eine grässliche Statue, die ihre vier Arme in verzweifelter Geste von sich streckte.
Twikus sah mit verschleiertem Blick zu dem Schatten auf, der ihn bedrohlich überragte. Hatte er gesiegt? Oder sammelte der dunkle Gott nur Kraft, um seine Verkörperung abermals neu zu erschaffen?
Plötzlich verwandelte sich Magos in eine Wolke schwarzen Pulverschnees.
Ein paar mühsame Atemzüge lang schaute der König im König dem wirbelnden Wind dabei zu, wie er die Überreste des Herrn in den Eisigen Höhen in alle Himmelsrichtungen zerstreute. Dann verschwamm das Gestöber vor seinen Augen. Im Geist des zu Tode Erschöpften erschien undeutlich ein warmes Licht, gleich einem am Horizont versinkenden Sonnenball. Allmählich wurde das Bild klarer und mit einem Mal sah er kupfern strahlendes Haar und große, karneolfarbene Mandelaugen – ein unvergleichlich schönes Antlitz, das ihn anlächelte.
»Nishigo!«, flüsterte er. Der Anblick ihres Gesichts erfüllte ihn mit tiefer Ruhe. Er hatte ein Held sein wollen, ihr tapferer Ritter. Ob sie jetzt stolz auf ihn wäre?
Der letzte schwarze Schneekristall war schon fortgeweht, als Twikus seufzte: »Ach, Ergil, mein Bruder, was habe ich dir angetan? Ich hätte Múrias Trunk nicht unterschätzen dürfen… hätte auf ihren Rat hören sollen…« Mit rasselndem
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