Mirad 02 - Der König im König
genug, um die große Aufgabe zu vollbringen.
Die Susaner blickten mit Stolz auf ihre prächtige und eindrucksvolle Hauptstadt. Für Kaguan unterschieden sich die viel besungene »Perle von Susan« und das stinkende Loch, in dem er die Wasserwalze heraufbeschworen hatte, aber kaum von all den anderen Wohnstätten der Menschen: Dieses schwächliche Geschlecht ließ sich zwischen Stadtmauern einpferchen, die um keinen Zoll nachgaben, so schnell die Bevölkerung auch wuchs.
Als größten Segen empfand Kaguan hingegen die Kanalisation von Silmao. Im Grunde war ihm die Sauberkeit der Straßen und Gassen völlig gleichgültig. Ginge es nach ihm, sollten die Menschen ruhig am eigenen Unrat ersticken. Wirklich erfreulich an den Abwasserkanälen war ihre Begehbarkeit. So konnte Kaguan zu dem werden, wofür die Menschen nur Abscheu empfanden und wovon sie sich tunlichst fern hielten.
Zu einer Kanalratte.
Die nacktschwänzigen Nager waren ausgesprochen intelligente Tierchen, für die er seit jeher zärtliche Gefühle hegte. Während der langen Flussfahrt auf dem Ban hatte er unter ihnen manchen Freund gefunden. Sie waren leichter zu zähmen als ein Drachenross. Hier, im Labyrinth unter der Stadt, erwies sich ihr Spürsinn für Kaguan als unschätzbare Hilfe. Die Ratten kannten sämtliche Ein- und Ausgänge, auch den einen, der für ihren neuen König so wichtig war.
Die Schmiede der Bartarin lag im Süden von Silmao, etwa drei Meilen außerhalb des Zentrums. Kaguan war zunächst misstrauisch gewesen, als ihm Kizmoh ausführlich darüber Bericht erstattet hatte. Warum waren die Bartarin nicht geflohen? Ohne Frage mussten sie doch eine Warnung aus Soodland erhalten haben. Anstatt sich zu verkriechen, wie es jede kluge Kanalratte getan hätte, schmiedeten sie munter weiter ihre Schwerter, Streitäxte und Speere. Die Menschen waren sogar noch dümmer, als er angenommen hatte.
Nach seiner Ankunft in Silmao hatte Kaguan vier Tage darauf verwendet, den Überfall auf die Schmiede vorzubereiten. Er schätzte, dass ihm im besten Fall noch eine Woche blieb, um Schmerz wieder zu vereinen und die Heimreise anzutreten. Wenn die Söhne der zwei Völker abermals eine Abkürzung durch die Falten der Welt fanden, dann mochte sich die Zeit halbieren.
Selbst dann würden sie zu spät kommen.
Die Abflüsse, durch die das Regenwasser in die unterirdischen Kanäle gelangte, waren mit steinernen Gittern abgedeckt. Einer dieser Deckel befand sich genau vor der Schmiede. Und darunter wartete der »König der Kanalratten« – in diesem selbst verliehenen Titel drückte sich seine ganze Verachtung für die Bewohner der Stadt aus.
Der Bericht des Gapas und die eigenen Nachforschungen hatten Kaguan in den vorangegangenen Tagen als Grundlage für die Ausarbeitung eines Plans gedient. Mit schöner Regelmäßigkeit verließ jeden Abend derselbe Mann als Letzter die Schmiede. Sogar seinen Namen kannte Kaguan inzwischen. Er hieß Gumo und war der älteste Sohn des Patriarchen Kubuku. Es war nicht anzunehmen, dass jedes männliche Mitglied der Sippe das Geheimnis des Kristallschwertes kannte, aber gewiss traf dies auf das Oberhaupt des Hauses der Bartarin zu. Der Alte war ein zäher Bursche. Er hätte längst seinen Lebensabend genießen und sich von seinen Kindern und Enkelkindern verwöhnen lassen können. Stattdessen ging er immer noch Tag für Tag in die Schmiede. Offenbar lag ihm viel an der Arbeit und Kaguan war überzeugt, dass ihm auch viel an seinen Söhnen lag.
Mit einem zufriedenen Gefühl drehte Gumo den Schlüssel im Schloss herum. Abends gehörte ihm die Schmiede ganz allein. Seine Söhne, Brüder und Neffen waren, ebenso wie der alte Vater, längst zu Hause. Letzterer wohnte in einem fast schon fürstlichen Anwesen am Fluss, das unmittelbar an die große Schmiede grenzte. Gumos Villa – sie lag einen kurzen Spaziergang weiter flussaufwärts – brauchte sich auch nicht zu verstecken. Ja, er war stolz auf seinen Wohlstand und die Stellung als Mitglied im Obersten Rat des Reiches. Unter den Bartarin nahm niemand die Pflichten so ernst wie er. Das durfte man von ihm auch erwarten, dachte er, während der Schlüsselring in seiner Hand klimperte. Schließlich würde er bald das Oberhaupt der Sippe sein.
Müde schlurfte er durch den gepflasterten Innenhof und das äußere Tor, schloss auch dieses ab und schickte sich an, die Straße zu überqueren. Sie war menschenleer. Der Wind trug von irgendwo ein Lachen zu ihm herüber. Die meisten Leute
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