Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
seine Kohorte in einen gemeinen Hinterhalt geraten. Plötzlich stand er einem blonden Riesen mit Breitschwert gegenüber. Zwerglinge können erstaunlich hoch springen, und so war Gondo zum Erstaunen des Hünen in die Höhe gehüpft und hatte ihm die Streitaxt durch den Helm getrieben. Anstatt auf der Stelle zu sterben, wie es jeder anständige Soldat in einer solchen Situation getan hätte, war der Bursche einfach hinter einem verkohlten Haus verschwunden. Samt der Axt. Zwar konnte Gondo sich nicht vorstellen, dass der Soodländer den Hieb überlebt hatte, aber trotzdem gehörte sich so etwas nicht. In demselben Dorf hatte er übrigens später einen Pfeil in den Oberschenkel bekommen. Was für eine niederträchtige Gemeinheit!
Der ganze Feldzug ödete ihn an.
Und jetzt war er auch noch mit General Waltran und seinem verfressenen Bastard auf ein und demselben Schiff. Kein Wunder, wenn da Gelüste aufkamen, die sich um schwarze Grottenhunde drehten.
Dem Zwergling schwante, dass er einmal mehr leer ausgehen könnte, wenn es demnächst an die Eroberung der Insel ging. Sollte der eitle Pfau mit seinem schwarzen Köter ihm wieder die besten Beutestücke wegschnappen, dann würden Gondos Träume in nicht allzu ferner Zukunft wohl von einem Spießbraten namens Waltran handeln.
Zum Ruhme des Königs von Ostrich und weil in dessen Reich alle Wasserfahrzeuge männliche Namen trugen, hieß der Dreimaster, auf dem Gondo mit seinem Schicksal haderte, Godebar 111. Die Bark patrouillierte vor dem Hafen von Sooderburg. Sie gehörte, ebenso wie das Flaggschiff Godebar 1 und ungefähr dreihundert weitere, fein säuberlich durchnummerierte Godebars, zu dem stattlichen Verband, den ostrichische Schiffsbaumeister im Eiltempo aus den Wäldern von Elderland geschnitzt hatten, weil Godebars Hauptflotte im Eisigen Ozean festgefroren war, König Entrin von Pandorien aber trotzdem auf einer Seeblockade und alsbaldigen Eroberung der Insel Soodland bestanden hatte.
Als Bewohner der Berge brachte Gondo weder im Allgemeinen ein tieferes Verständnis für den Schiffsbau mit noch im Besonderen für das Massaker an den armen Bäumen von Südelderland. Schon während seiner Reise nach und von Kimor hatte es ihm widerstrebt, ein Fortbewegungsmittel zu besteigen, das aus den Leichenteilen blindwütig zerstückelter Waldbewohner zusammengezimmert worden war. Jetzt kam erschwerend hinzu, dass die Hölzer für den Godebar 1 bis dreihundertirgendwas nicht einmal richtig abgelagert waren. Kapitän Porgolt vom Godebar 111 hatte gesagt, ein hundert Fuß langer Baumstamm könne durch Austrocknung innerhalb von zwei Jahren auf etwas mehr als neunzig Fuß schrumpfen. Deshalb verbaue ein Schiffszimmermann, der etwas von seinem Handwerk verstehe, für die Beplankung kein »grünes« Holz; die unweigerlich entstehenden Fugen würden das Schiff früher oder später undicht machen.
Gondo hatte diese Erklärung so aufgefasst: Es bestanden gute Aussichten, dass etliche Soldaten der vereinigen Heere wie die sprichwörtlichen Kätzchen im Sack ersaufen würden, weil es ihnen die Schiffe unterm Hintern weg zerriss.
Ein anderes Detail, das ihn am Godebar 111 gewaltig störte, waren die Segel. Als Gondo sie zum ersten Mal gesehen hatte, wäre er fast aus den Latschen gekippt. Sie waren rot-weiß gestreift. Quer! Wie der verdammte Unterrock eines Weibes. Am liebsten wäre er davongelaufen, aber das hatten schon andere Kameraden versucht und bereut. Jetzt vermoderten sie in irgendwelchen Ruinen abgebrannter Dörfer.
Die Vereinigte Heeresführung war empfindlich. Alles Mimosen! Schon ein gut gemeinter Verbesserungsvorschlag wurde von ihr allzu leicht als »Zersetzung der Kampfmoral« umgedeutet. Wer dafür einen »abschlägigen Bescheid« erhielt, hatte gewöhnlich nicht mehr lange zu leben, weil die Herren Generäle diese Redewendung irgendwie falsch auslegten: Aufrührern wurde gemeinhin der Kopf abgeschlagen.
Dieser Einblick in den Führungsstil der Kommandeure mag genügen, um nachzuvollziehen, warum Gondo trotzdem den mehr oder weniger seetüchtigen Unterrock bestiegen hatte. Dabei war der Godebar 111 nicht einmal die schlechteste Wahl. Längst nicht alle Wasserfahrzeuge, die sich an der Belagerung beteiligten, boten so viel Annehmlichkeiten wie die schwimmenden Befehlsstände der Heerführer. Auf den breiten Langschiffen, die mit einem einzigen Mast und einem Rahsegel auszukommen hatten, wurde viel mehr gehungert. Allerdings musste man sich dort auch nicht über
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