Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
Spitzentüchlein an die Nase und dachte intensiv nach.
Konnte es sein, dass der Mann ebenjener Spion war, von dem Entrin gesprochen hatte? Wollte er womöglich gerade in die Sicherheit seiner eigenen Armee fliehen und war aufgrund unglücklicher Umstände dabei umgebracht worden? Aber warum hatte er nichts gesagt? Man bringt doch nicht so einfach zweihundert seiner Kameraden um. Andererseits, hätte ihm irgendjemand der vom Erfolg der vorangegangenen Eroberungen trunkenen Männer überhaupt zugehört?
»Vergrabt das Haupt«, befahl Waltran.
»Ihr meint, wir sollen den Landsmann beisetzen?«, vergewisserte sich der Soldat mit dem Kopf.
»Unsinn! Ich möchte, dass Ihr es irgendwo verscharrt. Niemand soll es je finden.«
»Jawohl, Herr General«, sagte der Mann und trollte sich.
Waltran blickte sich um. Wenn die kurze Unterhaltung über die Kriegstrophäe überhaupt jemandem aufgefallen war, dann nur seinen Leibwächtern, auf deren Verschwiegenheit er sich verlassen konnte, und ein paar Soldaten, die wirklich Besseres zu tun hatten, als sich darüber Gedanken zu machen. Die anderen Generäle waren am Fuß des Festungsberges geblieben. Einige hatten sogar davon abgeraten, die Kampfhandlungen in die Nacht auszudehnen, aber Waltran konnte sich mit seiner Meinung bei den Königen und Hjalgord durchsetzen.
Der Schlachtenlärm lenkte seine Aufmerksamkeit zurück auf den dritten Ring. Er war mittlerweile fest in der Hand der Eroberer. Waltran begab sich wieder in den Schutz seiner erfahrenen Krieger. Gemeinsam durchquerten sie eine Bresche im Palisadenzaun. Einer der Hauptleute, ein Mann wie ein Baumstumpf mit Namen Hork, näherte sich ihnen vom Tor des zweiten Rings.
»Herr General, ich hörte schon, dass Ihr Euch der Truppe zeigen wollt. Das wird die Männer beeindrucken.«
›»Es ist die Pflicht eines jeden Kommandanten, sich um das Wohl seiner Leute zu kümmern‹, mein lieber Hork.«
»Sehr klug, Herr General.«
»Das stammt nicht von mir. Es ist ein Satz aus dem Handbuch des siegreichen Heerführers.«
»Aber klug ist es trotzdem, Herr General.«
So viel Speichelleckerei in Anwesenheit seiner hartgesottenen Leibwächter war Waltran peinlich. »Wie geht die Eroberung der Burg voran, Hork?«
»Nach Plan. Der zweite Ring gehört uns. Unser Rammbock knackt gerade das innere Tor. Gegenwehr gibt’s so gut wie keine mehr.«
»Nicht mal von den Hexenschützen?«
»Scheinbar haben wir so viele von ihnen umgebracht, dass sie jetzt mit sich selbst beschäftigt sind.«
»Das ist wahrhaft frohe Kunde, mein lieber Hork! Möglicherweise bereiten die Verteidiger ihre Flucht vor. Schickt einen Meldegänger zum Fuß der Klippe hinab. Man möge den Strand abriegeln. Kein Soodländer soll uns entkommen.«
»Jawohl, Herr General.« Der Hauptmann schickte sich an, den Befehl auszuführen.
»Halt!«, bellte Waltran.
Hork verharrte.
»Habe ich Euch etwa schon entlassen?«
»Ich bitte untertänigst um Verzeihung, Herr…«
»Ist ja schon gut. Eine Frage habe ich noch. Kann ich mich gefahrlos durch das nächste Tor begeben, um – äh – der Eroberung der Festung persönlich beizuwohnen?«
Der Mann starrte seinen Kommandanten an, als sei er ein sprechender Ochse. »Wollt Ihr von mir eine Garantie? Die kann ich Euch nicht geben, solange die Schlacht noch andauert.«
»Eine ehrliche Einschätzung genügt mir.«
»Wenn Brist Euch mit seinen Männern unter die Fittiche nimmt, solltet Ihr sicher sein.«
»Danke, Hork. Ihr dürft Euch entfernen.«
Das ließ sich der Truppenführer nicht zweimal sagen.
Waltran stieg vom Pferd, seine Leibwächter ebenfalls. Hauptmann Brist befahl er, einen Baldachin aus Schilden zu bauen, um nicht durch einen dummen Zufall erschlagen zu werden, falls jemand auf der Mauer versehentlich irgendetwas fallen ließ. In dieser Formation näherten sie sich dem steinernen Bollwerk des zweiten Verteidigungsringes.
Der durch das Tor dringende Kampflärm wurde bei jedem Schritt lauter und Waltran überlegte, ob er nicht auch als Eroberer der Sooderburg gelten würde, wenn er sich mehr im Hintergrund hielt. Das Handbuch des siegreichen Heerführers machte dazu einige widersprüchliche Angaben. Durch Ritzen zwischen den Schilden spähte er zur Mauerzinne empor. Sie war menschenleer. Der heutige Angriff musste auf diesen Verräter Borst ja einen mächtigen Eindruck gemacht haben. Waltran rang sich dazu durch, den Besuch der kämpfenden Truppe doch nicht zu verschieben.
Als er mit seinen Männern das
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