Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
meinst du das?
Ich spüre, dass etwas in dich eingedrungen ist. Etwas Fremdes.
»Also doch«, hauchte Ergil und wechselte einen bangen Blick mit der Elvenprinzessin, die ihn immer noch von ihrer Schaukel aus beobachtete. Er hatte gehofft, die kleinen Biester hätten ihn nur gebissen, ihm lediglich mit ihrem ätzenden Speichel diese unsäglichen Schmerzen zugefügt, aber…
»Ergil? Geht es dir gut?«
Der Schock saß so tief, dass der König im ersten Moment nicht auf die Stimme reagierte, die vom offenen Tor der Schmiede zu ihm drang. Schritte näherten sich ihm. Erst als eine Hand ihn an der Schulter berührte, fuhr er erschrocken herum.
»Tusan!«
»Hast du einen anderen erwartet? Vielleicht diese hässliche Heuschrecke?«
Ergils Kinn sank auf die Brust und er schüttelte den Kopf. »Er hat Tiko entführt und ich konnte nichts dagegen tun.«
»Aber ich«, versetzte der Fährtensucher gut gelaunt. In seinem roten Vollbart öffnete sich ein klaffender Spalt (so sah es immer aus, wenn er grinste). Mit dem linken Daumen deutete er über seine Schulter zum Tor und hob gleichzeitig die Rechte, in der er eines seiner Blasrohre hielt. »Liegt draußen, der Chamäleone, mit einem Pfeil im Hals.«
»Du hast ihn… zur Strecke gebracht?«
Tusan zuckte die Achseln. »Schätze, er wacht irgendwann wieder auf. Das Gift ist nicht sehr stark.«
Ergil eilte in den Hof. Tiko kniete gerade bei Dormund, der auf dem Pflaster saß, ein verkniffenes Gesicht machte und sich den Kopf rieb. Ein paar Schritte daneben lag Kaguan. Seine Schuppenhaut sah wieder aus wie Pech. Zunächst lief der König zu seinem alten Freund, dem Schmied.
»Wie fühlst du dich, Dormund?«
Der Gefragte schnitt eine Grimasse. Seit dem Abenteuer in den Harim-zedojim hatte er eine schiefe Nase, die diesem Ausdruck des Leidens eine eher komische Note verlieh. Er deutete auf Tiko. »Als hätte mein Geselle hier mir auf dem Amboss eine neue Form verpasst.«
»Und du?«, erkundigte sich Ergil bei dem Susaner.
Der junge Bartarin strich sich über eine Schürfwunde am Hals, verzog ansonsten aber keine Miene. »Ich kann nicht klagen, wenn ich bedenke, was dieses Ungeheuer meinem Vater und meiner Familie angetan hat.«
Der König nickte. »Hilfst du mir dabei, es zu fesseln?«
»Wozu? Wenn wir ihm den Kopf abnehmen, können wir uns die Mühe sparen.«
»Anscheinend hast du den Gedanken an Rache doch noch nicht ganz aufgegeben.«
»Ich verlange nur Gerechtigkeit. Alles andere wäre eine Verhöhnung der Opfer.«
Ergil legte dem Schmied die Hand auf die Schulter, als wäre er zehn Jahre älter als dieser und nicht umgekehrt. »Kaguan wird für seine Schuld Sühne leisten. So wahr ich hier stehe, was in meiner Macht liegt, werde ich dafür tun. Das ist ein königliches Versprechen, mein Freund. Aber zunächst müssen wir herausfinden, wo der Zoforoth das Schwert Schmerz versteckt hat. Es muss ein für alle Mal vernichtet werden und wenn ich mich recht entsinne, bist du der Einzige, der dazu fähig ist.«
Tiko warf einen Blick auf die reglose dunkle Gestalt und murmelte: »Manchmal wünschte ich, das Geheimnis des schwarzen Kristalls nie erfahren zu haben.«
Dormund quälte sich auf die Beine und ächzte: »Ich müsste da in der Schmiede noch ein paar schöne dicke Ketten haben.«
Kaguans vier Arme und zwei Beine wurden erst mit dünneren Fesseln aus gehärtetem Eisen gebunden. Anschließend umwickelten ihn Ergil und die zwei Schmiede mit erheblich stärkeren Ketten. Tiko gab sich erst zufrieden, als der Zoforoth das Aussehen eines zu groß geratenen Spinnrockens angenommen hatte – nur sein Kopf und die Füße schauten noch aus dem stählernen Korsett heraus. Das Bewusstsein hatte er noch nicht wiedererlangt.
Unterdessen war Tusan mit dem Siegelring des Königs auf dem Weg zur Stadtwache, »um alles Nötige zu veranlassen«. Der Gefangene solle umgehend zur Silberginkgo transportiert werden, lautete Ergils Befehl. Bis zur Rückkehr des Freundes und der Gardisten stellte er den Gefangenen unter Schekiras Bewachung. Er selbst und die beiden Waffenschmiede begaben sich in die Werkstatt.
»… und deshalb muss ich unbedingt wissen, ob irgendwo noch eine kleine Menge des Lebenselixiers existiert«, schloss er seinen Bericht von dem Ausflug nach Bethgan, dem »Haus des Gartens«, wo er seine sterbende Mutter gefunden hatte.
Die Mandelaugen des susanischen Schmiedes ließen kaum erkennen, was hinter seinem unbewegten Antlitz vor sich ging. Erst das
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