Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
Neigungen in gute Bahnen zu lenken, gelingt nur wenigen. Aus Stolz wird leicht Geringschätzung anderer und Ehrgeiz kann sich schnell in Rücksichtslosigkeit verwandeln, da einem das eigene Vorankommen wichtiger als alles andere wird…«
Múria verstummte, weil sich knarrend die Tür des Saales öffnete und Popi seinen Blondschopf hereinsteckte. »Stören wir?«
Ergil winkte. »Kommt rein.«
Hinter dem Jungritter betraten Tiko, Dormund, Bombo und Tusan den Raum.
»Besser, wir beunruhigen sie nicht mit dem Zornissenkram«, flüsterte der König Múria zu.
Sie musterte ihn durchdringend, willigte dann aber mit einem unauffälligen Nicken ein.
Ehe die Tür ins Schloss fallen konnte, schoss ein schillernder Eisvogel hindurch und landete auf Ergils Schulter. Schekira verbarg ihre Elvengestalt hinter dem bunten Federkleid, weil nicht alle der vom König geladenen Gäste zu ihren engsten Vertrauten gehörten.
»Was gibt es Neues von dem Zoforoth?«, fragte Tiko. Popi hatte also seinen Mund nicht halten können.
»Er sitzt in seiner Zelle und verbindet sich gerade seinen Arm. Aber wartet, bis die anderen da sind. Dann brauche ich nicht alles doppelt zu erzählen«, antwortete Ergil.
Die Miene des jungen Susaners blieb unbewegt. »Wenn er bei einem Fluchtversuch ums Leben käme, würde ich ihm nicht nachtrauern. Die unheimliche Begegnung in der Schmiede…« Er schüttelte den Kopf und murmelte: »Ist schon seltsam: Indem mein Vater Magos um sein Schwert betrog, hat er mich fast umgebracht.«
Ergils sonnengelbe Augenbrauen hoben sich. »Du sprichst von Kubuku?«
Tiko erschrak. »Was?«
Sein Gegenüber deutete die Reaktion zunächst falsch. »Stimmt doch, dass du mit ihm zusammen Schmerz neu geschmiedet hast, oder?«
Es dauerte einen Moment, bis Tiko seine Fassung wiedergefunden hatte. Leise antwortete er: »Geflickt wäre wohl das passendere Wort. Er hat die Bruchstelle mit Absicht nur oberflächlich verschlossen. Deswegen ist das schwarze Schwert gleich wieder zerborsten, als dein Bruder mit Magos kämpfte.«
»Aber…« Ergil fasste sich an die Stirn. »Warum hast du mir das nicht schon früher erzählt?«
»Weil ich selbst nicht sofort verstanden hatte, was in unserer Schmiede geschah. Den dunklen Kristall zu bearbeiten, war etwas völlig Neues für mich. Erst viel später, nachdem ich mir noch einmal jeden Handgriff der komplizierten Prozedur hatte durch den Kopf gehen lassen, ist mir der Trick meines Vaters aufgegangen. Aber da war Twikus schon auf dem Kitora gestorben und ich wollte sein Andenken durch nichts schmälern.«
Der König betrachtete grübelnd die unglückliche Miene seines Freundes. Ein junger Mann wagte normalerweise nicht, einem zehn Jahre älteren Rat zu erteilen, aber trotzdem fühlte sich Ergil gedrängt, seine Empfindungen auszudrücken. Er tat es mit allem gebotenen Respekt.
»Du bist doch Schmied, Tiko. Was passiert, wenn du eine Unze Gold in einem Tiegel zum Schmelzen bringst und nachher noch ein wenig mehr dazugibst? Verliert das Metall dadurch seinen Wert?«
»Natürlich nicht. Alles zusammen ist kostbarer als die Unze allein.«
»Siehst du! Und wir alle zusammen sind die Gemeinschaft des Lichts. Die gute Tat des einen kann nie die eines anderen schmälern. Du würdest mich glücklich machen, wenn du mich in Zukunft in den Kreis deiner Vertrauten einschlössest. Uns stehen nämlich einige Prüfungen bevor, die wir nur meistern können, wenn sich jeder voll und ganz auf den anderen verlassen kann.«
Ein Knarren verriet, dass sich die Tür zum Saal des Bundes erneut geöffnet hatte. Borst von Pandor fragte nicht erst, ob er näher treten durfte, er tat es einfach. Dem Exilkönig folgten zwei weitere Monarchen: Helvik von Kimsborg und Yabun Balkasar I. aus Tarabant. In ihrem Schlepptau befanden sich Ergils Erster Kanzler sowie Tusans Vater, Quondit Jimmar Herzog von Bolk. Als Letzter betrat Fürst Jazzar-fajim den Raum. Auf einen Wink des Königs sperrte der Sirilo hinter sich ab.
Ergil lud die Gefährten mit ausgebreitetem Arm zum Platznehmen ein. Fünfzehn Personen befanden sich im Saal des Bundes, wenngleich manche der Anwesenden nur dreizehn zählten – Schekira und Nisrah hielten sich vornehm zurück.
»Ich danke euch, meine Freunde und Gefährten«, eröffnete der König die Runde und kam schnell zur Sache. »Ich kann die Frage von euren Augen ablesen: Warum ruft er diesen erweiterten Großen Rat vor der vereinbarten Zeit zusammen, verzichtet aber auf die Anwesenheit
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