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Mirad 03 - Das Wasser von Silmao

Titel: Mirad 03 - Das Wasser von Silmao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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liegt, ist etwas ganz anderes.«
    »Ich habe noch nie so viele Töne von Grün gesehen«, murmelte Popi.
    »Ergil«, sprach Tiko den König an, »du hattest während deiner Suche nach dem ewigen Schwarm doch den Hain der Ginkgos im alten Schilmao gesehen.« Er deutete mit nach oben geöffneter Hand auf das Grüne Meer. »Ist da irgendetwas, das dem auch nur im Entferntesten ähnlich sieht?«
    Der Gefragte schüttelte langsam den Kopf und flüsterte: »Ich weiß es nicht.«
    »Wenigstens haben wir jetzt ein Gefühl dafür, wie groß unsere Aufgabe ist«, brachte Tusan die jüngste Erkenntnis auf den Punkt. »Es macht keinen Sinn, planlos durch dieses Land zu streifen, denn offensichtlich schießen auch hier die Ginkgos nicht wie Unkraut aus dem Boden. Ich schlage vor, zum Schiff zurückzukehren und uns mit den anderen zu beraten. Vielleicht können wir uns in drei oder vier Gruppen aufteilen und ausgehend vom Landeplatz das Land sternförmig erkunden.«
    »Und an mich denkt wohl gar keiner mehr«, sagte Schekira spitz.
    »Du hältst natürlich auch die Augen offen und wirst außerdem dafür sorgen, dass der Kontakt zwischen den Gruppen nicht abreißt.«
    Die Elvin klimperte entrüstet mit ihren langen Wimpern. »Glaubt man denn so was! Dieser Fährtensucher will einen Botenfalken aus mir machen.«
    Ergil war der Unterhaltung nur mit einem Ohr gefolgt. Noch immer schüttelte er den Kopf und murmelte: »Jetzt kann uns nur noch ein Wunder helfen.«
    Die Geräusche der schweren Schritte waren wie Fremdkörper im vielstimmigen Konzert des Urwaldes. Unter den talwärts stapfenden Wanderern herrschte Schweigen. Ihre Stimmung war gedrückt. Allenfalls Jazzar-fajim, der einen schier unerschütterlichen Gleichmut besaß, hatte noch einen offenen Sinn für die Schönheiten des wuchernden Paradieses, für die bizarren Formen der Pflanzen, den Harfengesang der Farne, das Summen der Insekten, das Gezwitscher der Vögel und das muntere Plätschern der Bäche.
    Am Nachmittag trafen die Gefährten wieder auf den uralten Baumriesen. Tusan schlug eine Rast im Schatten der mächtigen Krone vor. Hier wuchsen nur wenige andere Pflanzen und die Gefahr unliebsamer Überraschungen aus dem Hinterhalt war geringer. Tiko übernahm die Wache. Weil er im Umgang mit Pfeil und Bogen sicherer als mit seinem neuen Breitschwert war, legte er Biberschwanz bei Ergil ab. Ringsum ließ man sich nieder, kramte den Proviant hervor und begann still vor sich hin zu kauen. Die meisten hielten Abstand zum König, weniger aus Respekt, sondern weil dessen verdrießliche Miene nicht unbedingt zu einer zwanglosen Plauderei ermunterte.
    Ihm war das durchaus recht. Und Hunger verspürte er auch keinen. Während der letzten Stunden hatte sich seine Verzweiflung zu einem Gefühl hochgeschaukelt, das er während der Seereise über den Eisigen Ozean schon fast besiegt zu haben glaubte: Zorn.
    Er war erbost, weil sie keinen einzigen Ginkgo gesichtet hatten, wütend, weil ihm kein besserer Plan als Tusans zeitraubende »Sternensuche« einfallen wollte, und voller Ingrimm, weil er seiner Mutter nicht helfen konnte, während sie langsam, aber stetig im Sumpf des Todes versank. Kraftlos ließ er sich auf ein Moospolster sinken und ärgerte sich, weil es so weich war. Sofort hatte sein unwirscher Verstand ein passendes Sprichwort parat: »Müßiggang verweilt nicht gern auf unbequemen Stühlen, doch lassen dicke Kissen, was unerledigt ist, nur schwer erfühlen.«
    Ergil lehnte sich, seine Arme als Stützen benutzend, nach hinten und vergrub seine Hände im Laub. Ziellos wanderten seine Augen im Geflirre der mächtigen Baumkrone umher. Um seinen Ärger zu vertreiben, begann er die verschiedenen Arten von Blättern und Nadeln an dem Baumriesen zu zählen. Plötzlich spürte er ein Kitzeln an der linken Hand. Er glaubte zunächst, ein Käfer oder anderes Insekt krabbele darüber hinweg, und versuchte es abzuschütteln. Dabei bemerkte er, dass etwas sein Handgelenk umklammerte.
    Jetzt erst ruckte sein Kopf herum, um das lästige Etwas in Augenschein zu nehmen. Sein Herz setzte einen Schlag aus. Nicht der frische, grüne, sich mit wenigen zarten Blättern schmückende, kaum fingerdicke Trieb, der sich gerade mit beunruhigender Geschwindigkeit um seinen Arm wickelte, ließ ihn derart erschrecken. Vielmehr war es die Erinnerung an ein nächtliches Erlebnis in den Namenlosen Sümpfen. Damals hätten Schlingwurzeln ihn und seine Freunde fast erdrosselt.
    Der Zorn, den Ergil beim Zählen

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