Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
Neid aufkommen, weil solcher zu den dunklen Trieben gehörte, an denen sich Zornissen labten. Vielleicht hatte sich die Meditation über das Licht ja doch ausgezahlt.
Das Beiboot glich einem großen Blatt mit gezacktem Rand, das, Stiel voran, dem Ufer entgegenstrebte. Für den nötigen Vortrieb sorgten Jonnin und Tusan mit einer Tätigkeit, welche Bombo in der Seemannssprache »pullen« nannte, die den Landratten aber eher unter dem Begriff »rudern« geläufig war. Kurz vor Anbruch der vierten Stunde nach Mittag schabte das Gig über den Sand. Halb schwimmend, halb auf dem Kiel kippelnd blieb es liegen.
Als Jonnin Anstalten machte, ins Wasser zu springen, um das Boot mit der nächsten Welle weiter auf den Strand zu ziehen, kreischte Bombo: »Bleibst du wohl hier! Oder willst du alle Geschichtsschreiber zu Lügnern machen, wenn sie zukünftig von Ergils großer Entdeckung berichten?«
Der Leichtmatrose sah nicht so aus, als hätte er den Sinn des Verbots verstanden. Ergil ging es einzig um Ginkgobäume und das Lebenselixier. An Ruhm war ihm nicht im Geringsten gelegen. Doch um den armen Jonnin nicht wie einen Dummkopf aussehen zu lassen, schwang er sich über das Dollbord und landete mit beiden Füßen platschend im Wasser. Er lief ein paar Schritte den Strand hinauf, drehte sich mit ausgebreiteten Armen zum Boot um und sagte: »Da bin ich also, ein Erster unter Gleichen. Kommt!«
Nun schickten sich auch die anderen an, seinem Beispiel zu folgen, aber der Kapitän war immer noch nicht zufrieden.
»Majestät«, keuchte er in längst vergessen geglaubter Förmlichkeit, »so geht das doch nicht! Hat Euch niemand erklärt, wie man fremde Gestade für sich in Besitz nimmt?«
Die Gefährten an Bord hielten sich maulend zurück.
Ergil blinzelte verwirrt. »Ich bin kein Eroberer, Bombo. Alles, was ich von hier mitnehmen will, ist Wissen über das Lebenselixier oder ein paar Ginkgofrüchte und -blüten.«
»Ja, ja. Ab morgen können wir uns ganz Eurer Suche widmen, aber heute wird kolonisiert.«
»Sag mal, hat dein Hirn irgendwie unter der Zeitblase gelitten? Sprich endlich wieder vernünftig mit mir.«
»Vernünftig?«, plusterte sich der kleine Kapitän auf. »Dankt man so dem treuen Kameraden, der einem einen ganzen Kontinent auf dem Präsentierteller anbietet? Ich will doch bloß…«
»Jetzt tu ihm den Gefallen, damit wir endlich von diesem schaukelnden Ding herunterkommen«, stöhnte Tusan.
»Meinetwegen«, gab Ergil nach. »Was muss ich tun?«
»Das habe ich doch schon gesagt. Mach irgendeinen feierlichen Ausspruch, den wir später Múria diktieren können, und dann nimm das Land in Besitz.«
»Dafür fehlt mir wirklich der Sinn, Bombo.«
»Das mit dem Ersten unter Gleichen können wir uns schon mal merken. Sag einfach noch… äh… Ich, Ergil von Sooderburg, Sohn Torlunds des Friedsamen, König von Soodland, nehme diese neue Welt für die Krone von Soodland in Besitz und taufe sie auf den Namen Neu-Soodland.«
»Findest du nicht, das Wort Soodland kommt ein bisschen zu oft in diesem kindischen Salm vor?«
»Ganz und gar nicht. Wiederholung ist Bekräftigung. Von Rechts wegen müsstest du noch die Fahne von Soodland in den Sand stecken, womit der Name deines Reiches ein viertes Mal über diesem Gestade genannt würde.«
»Ich habe mir noch kein Wappen ausgedacht.«
»Deshalb müssen ja auch drei Nennungen ausreichen.«
Ergil verdrehte die Augen zum Himmel und wiederholte Bombo zuliebe die Besitznahmeformel.
An Bord des Gigs machte sich geräuschvoll Erleichterung breit. Wieder wollten Popi, Tusan, Jazzar-fajim und die anderen ins Wasser springen.
»Halt!«, rief Bombo.
»Was denn noch?«, stöhnte Tiko.
»Erst kommt die Tafel.«
Um weiteren Fragen zuvorzukommen, zog der Kapitän unter seiner Bank ein in Öltuch eingeschlagenes flaches Paket hervor und hievte seinen gedrungenen Körper über das Dollbord. Sobald er festen Grund unter den Füßen hatte, lief er auf Ergil zu. Dabei befreite er seine Überraschung von der Umhüllung. Darin eingepackt war eine Holztafel, die er Ergil hinhielt.
»Nimm das. Ich habe den Schiffszimmermann gebeten, die Tafel für diesen geschichtsträchtigen Augenblick anzufertigen. Einen Pflock habe ich auch mitgebracht, um das gute Stück anstelle deiner Fahne hier in den Sand zu rammen.«
Ergil empfing das Geschenk mit einem Stirnrunzeln. Es handelte sich um eine rechteckige Tafel aus rotbraunem, lackiertem Holz. Darin waren golden ausgemalte Schriftzeichen
Weitere Kostenlose Bücher