Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mirad 03 - Das Wasser von Silmao

Titel: Mirad 03 - Das Wasser von Silmao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
der Blattformen fast schon vergessen hatte, kehrte mit der Gewalt einer Sturmflut zurück. Nicht noch einmal würde er sich von irgendwelchen Pflanzen fesseln lassen. Er beugte sich nach rechts, wo Tikos Schwert lag. Mit einem Ruck zog er Biberschwanz aus der Scheide und ebenso schnell hatte er den weichen Trieb zwischen zwei Blattknospen durchtrennt. Der Rankenstumpf zog sich, schnell wie eine Schlange, hinter eine junge Föhre zurück. Der abgeschnittene Rest des Triebs viel schlaff zu Boden.
    »Das hast du davon, du garstiges Pflänzchen«, zischte Ergil. »Wage nicht noch einmal, dich hier blicken zu lassen, sonst werde ich das Himmelsfeuer… «
    Er verstummte, weil es plötzlich im Wald merkwürdig still geworden war. Sein Blick wanderte zu den Freunden, die ihn aus besorgten Mienen musterten. Ihre offensichtliche Ahnungslosigkeit machte ihn gleich wieder wütend. Anscheinend hatte niemand den gemeinen Angriff der Mörderranke bemerkt.
    Ehe irgendjemand etwas sagen konnte, fand die merkwürdige Ruhe ein jähes Ende. Unvermittelt fingen die Zweige sämtlicher Büsche und Bäume an zu zittern. Nur die beiden Durchdringer – Jazzar-fajim und Ergil – erkannten, dass nicht Wind durchs Blätterwerk strich, das Rascheln kam aus den Pflanzen selbst.
    Und es war feindselig.
    »Achtung!«, rief der Sirilo und zückte sein Schwert.
    Auch die anderen griffen zu den Waffen. Wortlos formierte man sich zu einem Kreis. Bange Blicke durchsuchten das bebende Grün.
    Plötzlich fiel aus der Krone des uralten Riesen ein betörend duftender Nebel herab. Es roch nach edlen Hölzern, aromatischen Wiesenkräutern und kostbaren Blumen.
    »Pollen?«, murmelte Popi an der Seite des Königs. Der Jungritter hatte seine Hand ausgestreckt und betrachtete staunend die darauf nieder regnenden winzigen gelblichen Pünktchen.
    Ergil durchzuckte ein schrecklicher Gedanke. Mondtau! Die Flocken waren klebrig und wesentlich größer gewesen als der staubfeine Niederschlag hier, aber trotzdem versetzte die Erinnerung an das in den Namenlosen Sümpfen erlebte Grauen seinen Körper in höchste Alarmbereitschaft.
    »Weg von dem Baum!«, schrie er und deutete zum Rand des großen Schattenkreises.
    Ohne sich weiter um ihr Gepäck zu kümmern, rannten die Gefährten los.
    Schon nach wenigen Schritten wurde ihnen bewusst, dass sie längst in einer Schlinge steckten, die sich langsam zuzog. Der Duft war mehr als betörend, er war in höchstem Maße berauschend. Einen Krug Wein hinunterzuschütten, konnte nicht annähernd dieselbe Wirkung haben. Bombo fiel als Erster um und dann sackte in rascher Folge ein Mann nach dem anderen ohnmächtig zusammen. Sogar Schekira taumelte zu Boden und blieb bewegungslos liegen.
    Ergil kämpfte noch gegen das Schwindelgefühl an. Er sah, wie Jazzar-fajim umkippte. Die Sirilim waren zäh. Aber offenbar nicht zäh genug. Alles drehte sich. Wie schön! Seltsamerweise spürte er keine Furcht und auch keinen Zorn. Es war ein überaus angenehmes Glücksgefühl, das ihn durchwogte, ehe sein Bewusstsein darin versank.
    Wenigstens bin ich nicht tot, dachte Ergil, als er langsam wieder zu sich kam. Seine Augen waren noch geschlossen, aber Nase, Ohren und Haut vermittelten ihm bereits eine Vielzahl von Sinneseindrücken. Immer noch lag ein Hauch jenes schweren Duftes in der Luft, der ihn betäubt haben musste. Eine milde Brise strich über sein Gesicht. Anstelle des zornigen Rascheins war ein unaufdringliches Rauschen getreten – vermutlich lag er immer noch unter der Krone des uralten Riesen. Um sich Gewissheit zu verschaffen, stemmte sich der König auf die Ellenbogen hoch und öffnete die Augen.
    Diese Maßnahme trug zunächst wenig zum Erkenntnisgewinn bei, weil er seine Umgebung ziemlich verschwommen wahrnahm, so als hätte ein Maler mit wildem Pinselstrich lediglich eine Andeutung der Wirklichkeit auf die Leinwand gebannt. Lange bevor Ergil wieder normal sehen konnte, erlitt er einen Schock.
    Irgendjemand musste ihn und seine Freunde im Zustand der Ohnmacht verschleppt haben. Sie befanden sich auf einer runden, grün bewachsenen, von Bäumen umstandenen Waldlichtung. Zwar fehlte von ihren Waffen jede Spur, aber die Gefährten waren vollzählig um ihn versammelt. Einige erwachten gerade. Ergil stutzte, als er in der Nähe Schekira sich im Gras räkeln sah. Sie war keine kleine Elvin mehr, sondern ungefähr so groß wie Prinzessin Nishigo, die Tochter des susanischen Mazars. Ihr kupferfarbenes Haar umrahmte ein Gesicht, das für

Weitere Kostenlose Bücher