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Mirage: Roman (German Edition)

Mirage: Roman (German Edition)

Titel: Mirage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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ist ein kluger Mann, auf seine Weise. Auch böse natürlich, und ein Egomane, was es ihm unmöglich macht, bestimmte Wahrheiten zu begreifen, aber trotzdem. Er weiß so wenig von der Fata Morgana wie jeder andere Araber auch, und keinem ist es besser als ihm gelungen, meiner Spur von Brotkrumen zu folgen.«
    »Sie sprechen von den Artefakten?«
    Koresh nickte. »Er ist mit Sicherheit nicht der einzige Interessierte, aber kein anderer ist dem Ursprung dieser Dinge so nahe gekommen wie er. Gaddafis Leute jagen noch immer falschen Spuren in Europa hinterher. Ebenso al-Qaida, bis vor ganz kurzer Zeit …«
    »Dann ist es also wahr. Sie sind der Schöpfer dieser Objekte? Und der Fata-Morgana-Legende selbst?«
    »Es ist keine Legende«, sagte David Koresh. »Und ich bin kein Schöpfer, nur ein Bote.«
    »Werden Sie mir sagen, was Sie wissen?«
    »Natürlich. Dafür habe ich Sie ja hierherbringen lassen. Aber es ist eine lange Geschichte.« Koresh deutete mit einer Geste auf die Couch. »Sie sollten es sich bequem machen. Sind Sie sicher, dass Sie nichts zu trinken haben wollen?«
    »Vielleicht heißen Tee, wenn es eine lange Geschichte ist«, sagte Mustafa. »Es ist ziemlich frisch hier.«
    »Agent McVeigh sagte, Sie seien von der CIA«, sagte Mustafa. »Er hat Sie als den Direktor bezeichnet.«
    »Und jetzt fragen Sie sich, wenn das wahr ist, warum sich dann der Chef der texanischen CIA in Virginia versteckt?«
    »Ja.«
    »Tja, wissen Sie«, sagte David Koresh, »es ist Tradition, dass bei einem Schisma beide Seiten von sich behaupten, die wahre Religion zu vertreten.«
    »Es gab in der CIA ein Schisma?«
    Koresh nickte. »Zwischen dem, wenn Sie so wollen, Crawford-Lager und dem Waco-Lager. Meine Fraktion – das Waco-Lager – unterlag, also mussten wir gehen. Aber wir betrachten uns nach wie vor als das einzig Wahre, als den wahren Christus in Aktion, der durch die Wildnis Amerikas wandert.« Er rührte Milch in seinen Tee, bevor er fortfuhr: »Das Leben auf der Straße ist mir nicht fremd. Angefangen habe ich als Sänger-Prediger. Ich ging mit meiner eigenen Band und meiner Bibelstudiengruppe auf Tournee. Wir zogen durch ganz Texas und verbreiteten das Wort Gottes. Eines Abends auf einer Erweckungsversammlung lernte ich einen CIA-Anwerber namens Lee Atwater kennen. Er holte mich in die ›Firma‹, damit ich als Schriftanalyst für die theologische Sektion arbeitete – und am Wochenende mit ihm jammte.«
    »Schriftanalyst?«
    »Ein Teil der inoffiziellen Aufgaben der CIA ist die Beschaffung von biblischer Rechtfertigung für die Regierung in Austin«, erklärte Koresh. »Wenn sie eine Rechtfertigung für eine neue Politik oder eine Erklärung für etwas wie den Rinderwahnsinn brauchen, wenden sich die Leute an die Firma. Das war mein Job, sieben Jahre lang. Nach dem Golf-von-Mexiko-Krieg wurde ich dann befördert und mit der Leitung einer neuen Forschungseinrichtung der Firma betraut, des ›Mount Carmel Center‹ in Waco.
    Texas machte damals gerade die erste Golfsyndrom-Epidemie durch. Der Krieg verursachte die unterschiedlichsten Kopfschmerzen – auch wenn uns selbst die Invasion erspart blieb, führte doch das Wissen darum, dass sie hätte kommen können – ja, ohne die Hilfe der Muslime gekommen wäre –, zu einer ungeheuren Vertrauenskrise. Aufruhr machte sich breit. Häresie machte sich breit. Und die Menschen – darunter auch Menschen in wirklich verantwortlichen Positionen – hatten Albträume und Halluzinationen von einer heimlichen amerikanischen Machtübernahme. Der Bürgermeister von Galveston erklärte live im Fernsehen, die texanische Unabhängigkeit sei ein Mythos und wir seien in Wirklichkeit schon immer ein Teil der Christlichen Staaten von Amerika gewesen. Ein Dutzend Offiziere der texanischen Luftgarde mussten aufgrund von psychischer Instabilität den Dienst quittieren. Sie sagten, sie würden jede Nacht träumen, sie seien amerikanische Piloten und würden Angriffe gegen Ziele fliegen, die in West-Texas zu liegen schienen.
    Gerüchte breiteten sich aus, ein geheimes Projekt zur Gedankenmanipulation infiziere die Menschen mit LBJs Vision. Ich weiß, dass es Forschungsteams der CIA gab, die das mit der Infektion ganz wörtlich nahmen und nach einem genmanipulierten Virus suchten, das gezielt das Unbewusste beeinflussen sollte. Wir im Mount Carmel aber konzentrierten uns auf mögliche mystische Erklärungen. Wir wurden aufgefordert, die Träume als Prophezeiungen zu werten – oder als Beweise

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