Mirage: Roman (German Edition)
haben. Wenn einst diese Welt vergeht und Gottes letzte Wahrheit offenbart wird – selbst den Ungläubigen, die sie leugnen –, wird jeder erkennen, dass wir im Recht waren. Aber für Sie wird es dann zu spät sein, Mustafa al-Bagdadi.« Nickend fuhr er fort: »Nur zu. Nehmen Sie Rache. Es wird nichts ändern.«
»Rache.« Mustafa stellte seine Tasse ab, legte die Hand auf die Pistole und atmete tief ein. »Ich sagte Gabriel Costello, wenn man die Männer, die für den 9.11. verantwortlich sind, vor mich brächte, würde ich kein Erbarmen mit ihnen haben …«
»Zum Teufel mit Ihrem Erbarmen!«, sagte Idris. »Darauf pfeife ich.«
»Ich weiß«, sagte Mustafa. »Und es wäre eine große Freude, Sie zu töten – eine Art Erfüllung eines Herzenswunsches. Aber Gott pfeift nicht auf Erbarmen. Daran muss ich glauben, wenn ich in dieser oder welcher anderen Welt auch immer weiterleben will … Ja, daran muss ich glauben.« Mit sichtlicher Selbstüberwindung zog er die Hand von der Pistole zurück. »Wie auch immer«, fuhr er fort, »ich habe meine Wünsche sowieso schon alle aufgebraucht. Zeit, jemand anders ranzulassen.« Er lehnte sich zurück und rief: »Samir!«
Schritte im Flur. Samir kam herein, dann Amal und hinter den beiden Abu Naji und Sayyid. Sayyid hatte einen Kassettenrekorder mit Antenne in der Hand.
Idris schüttelte den Kopf, rang sich ein Lächeln ab. »Jetzt enttäuschen Sie mich«, sagte er zu Mustafa. »Ich sage Ihnen, ich bin bereit zu sterben. Und glauben Sie, Gefängnis könnte für mich eine Strafe sein?«
»Wir werden sehen, wie Sie sich nach den ersten vierzig Jahren fühlen«, sagte Mustafa.
Idris lachte. »Nein«, sagte er. »Nein, das glaube ich nicht.«
Er machte einen Ausfall nach der Pistole auf dem Tisch, aber Amal hatte nur darauf gewartet und fing ihn mit einem Taser ab, noch bevor er zwei Schritte weit gekommen war.
»Samir«, sagte Mustafa. »Würdest du bitte die Honneurs machen?«
Idris war rücklings umgekippt. Er lag flach atmend und mit rotem Kopf da, zu geschockt, um sich rühren zu können, aber noch imstande, einen Ausdruck von solchem Hass anzunehmen, dass Samir, der über ihm stand, kurz zögerte. Dann erinnerte er sich aber an seine Söhne, und seine Angst verflog. Er ging in die Hocke und holte Handschellen hervor.
»Idris Abd al-Qahhar«, sagte er. »Ich nehme Sie fest wegen Verschwörung zum Mord. Durch die Gnade Gottes, des Allbarmherzigen, des Erbarmers, haben Sie das Recht zu schweigen …«
»Hallo«, sagte Faruk und zog die Tür des Vernehmungsraums hinter sich zu. »Wie ich höre, wünschen Sie mich zu sprechen.«
»Oh, ich versuche, mir nie etwas zu wünschen«, sagte der Mann im weißen Gewand. »Wünsche erfüllen sich äußerst selten so, wie man es sich vorgestellt hat. Ich bin allerdings froh, mit Ihnen zu sprechen.«
»Dann ist ja gut. Fangen wir mit Ihrem Namen an.«
»Natürlich.« Das Lächeln des Mannes spielte jetzt ins Spitzbübische. »Wie würden Sie mich gern nennen?«
»Wie wäre es mit Ihrem richtigen Namen?«
»Der würde Ihnen, fürchte ich, nichts sagen. Ich stehe in keiner Ihrer Datenbanken.«
»Wie wäre es dann mit einer Heimatadresse?« Faruk zog einen Stuhl unter dem Tisch hervor und setzte sich dem Mann gegenüber. »Sie klingen mir nicht nach einem Bagdadi.«
»Meine Familie ist in Arabien zu Hause, in der Rub al-Khali.«
»Mir war nicht bekannt, dass es im ›Leeren Viertel‹ Häuser gibt. Arbeiten Sie in der Ölindustrie?«
»Wir kümmern uns um unsere eigenen Angelegenheiten.« Wieder dieses spitzbübische Lächeln. »Die meisten von uns.«
»Und was führt Sie nach Bagdad?«
»Ich fliege im ganzen Land herum.«
»Geschäftlich? Für Ihr Familienunternehmen?«
»Eher eine Art persönliches Forschungsprojekt. Ich reise von Ort zu Ort und mache mir ein Bild davon, wie sich die Dinge geändert haben.«
»Seit wann geändert? Waren Sie irgendwo außer Landes?«
»Das auch«, sagte der Mann im weißen Gewand. »Ich war viele Jahre im Gefängnis, und während dieser Zeit hat sich die Welt ganz schön verändert. Seit meiner Haftentlassung hat sie sich wieder verändert. Was mich vor allem interessiert, ist der zweite Schub von Veränderungen. Man sollte eigentlich imstande sein, sein eigenes Werk zu erkennen, aber mir begegnen ständig Dinge, die mich überraschen, Dinge, die den Eingriff einer anderen, höheren Macht vermuten lassen. Also versuche ich herauszufinden, was das alles bedeutet. Was der größere
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