Mirage: Roman (German Edition)
Einkaufswagen zurück. Dann ging er sich ihre Beute näher anschauen. Er hatte noch nie einen Dschinn gesehen und wusste nicht, ob er überhaupt an deren Existenz glaubte. Und tatsächlich sah der Gefangene einfach wie ein Mann aus – forsch und furchtlos vielleicht, aber menschlich.
»Mord ist eine Sünde«, informierte ihn der Gefangene.
Qusai warf ungerührt einen Blick auf eine der herumliegenden Leichen. »Diese Männer waren ebenfalls Mörder, da dürfen Sie sicher sein.«
»Was steht nach dieser Logik für Ihre eigene Zukunft zu erwarten?«, sagte der Gefangene.
Qusai sparte sich die Antwort. Drei Polizeiwagen waren gerade, von den Schüssen alarmiert, um die Ecke gebogen. Qusai trat an den Bordstein und winkte ihnen zu, sich zu beeilen.
Als Mustafa und die anderen eintrafen, waren die Leichen schon mit einem Sandschleier überzogen, und an ihren Luvseiten bildeten sich erste Verwehungen. Von der Schrotladung enthauptet, ähnelte Siraj ad-Din einem Strandrelief, das von der Flut abgetragen wird. Die Straße war gesperrt worden, und eine gemischte Gruppe von AHS-, ABE- und Polizeibeamten schlenderte am Tatort herum.
Nach einem kurzen Blick auf die Leichen stellten sichMustafa, Samir und Amal im Gebäude unter. Während Amal ihr Mobiltelefon zückte, unterhielten sich Mustafa und Samir mit Abdallah, der ramponiert, aber bei Bewusstsein war. Faruk war ins Krankenhaus gefahren worden; Joe Simeon war auf dem Weg ins Leichenschauhaus.
»Sie sagten, sie wären aus Riad«, erklärte Abdallah. Sein Gesicht war voller Blut, und er hielt sich einen Eisbeutel an den Schädel. »Sie sagten, sie hätten Befehl, den Gefangenen mitzunehmen. Und sie konnten sich ausweisen, aber wie sie da einfach so in die Befragungssuite reingeplatzt sind, ohne jede Vorwarnung … Ich weiß nicht, das kam mir einfach nicht koscher vor. Also habe ich denen gesagt, sie müssten draußen warten, während ich einen Anruf mache, und da hat mir der große Mistkerl den Kopf gegen die Scheibe geschlagen.«
»Kannst du uns die Aufzeichnung von Faruks Vernehmung zeigen?«, sagte Mustafa. »Mit dem Gefangenen, den sie mitgenommen haben.«
»Nein. Ich habe nachgesehen. Sie haben alles gelöscht und die Sicherungs-CD mitgenommen.«
»Wie sah der Mann aus?«
Abdallah beschrieb den Gefangenen. »Er redete so, als würde er dich kennen …«
Amal hatte ihr Telefonat beendet. »Abu Naji sagt, wir haben Bin Laden im Hotel verpasst«, referierte sie den anderen. »Nach Angaben des Personals sind der Senator und seine Leibwächter ziemlich genau um die Zeit abgereist, als wir Idris festnahmen. Sie sollten eigentlich heute Abend in die Hauptstadt zurückfliegen, aber sie haben sich noch nicht abfertigen lassen, und wie es jetzt aussieht, bleiben sowieso alle Maschinen am Boden.«
»Ich bezweifle, dass Bin Laden Bagdad jetzt verlassen würde, selbst wenn er einen Flug bekäme«, sagte Mustafa. »Das, was er will, ist hier … Schön, nehmen wir einmal an, dass die Toten draußen al-Qaida-Männer waren, mit dem Auftrag, sich diesen … diese ›Person von besonderem polizeilichen Interesse‹ zu schnappen. Möchte jemand einen Tipp darüber abgeben, wer ihre Mörder sind?«
»Umm Dabir hat mir gesagt, dass sie aus dem Fenster geschaut hat, als sie die Schüsse hörte«, steuerte Abdallah bei. »Sie sagte, sie hätte Polizeiwagen vorfahren und dann wieder wegfahren sehen.«
»Stadtpolizei«, sagte Amal. »Also Saddam.«
Samir sah Mustafa an. »Glaubst du, sie werden ihn zum Palast in al-Azamiyya bringen?«
»Wäre möglich, besonders wenn Saddam es besonders eilig hätte, seine ersten Wünsche loszuwerden.«
»Dann ist es ja einfach«, sagte Amal. »Trommeln wir ein paar mehr Leute zusammen, und rüber auf die andere Flussseite.«
»Das könnten wir machen«, sagte Mustafa. »Aber wenn die Bullen draußen sehen, dass wir ein Einsatzkommando zusammenstellen, könnten sie uns telefonisch ankündigen, und Saddam wäre gewarnt.« Er dachte nach. »Zu dritt dagegen könnten wir es schaffen, uns unbemerkt zu verdrücken.«
»Und was machen wir drei dann gegen die ganze Republikanische Garde?«, fragte Samir.
»Das Gelände ausspähen«, sagte Mustafa. »Amal, ruf Abu Naji noch mal an. Sag ihm, er soll zum Bagdader ABE-Büro fahren und so viele Agenten, wie er kriegt, für eine Razzia auf Saddams Anwesen in al-Azamiyya zusammentrommeln. Und er soll aufpassen, dass die Polizei nichts davon mitbekommt. Ach, und ein Durchsuchungsbefehl wäre nicht
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