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Mirage: Roman (German Edition)

Mirage: Roman (German Edition)

Titel: Mirage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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Drehung der Erde unter seinen Füßen bewusst. Er verspürte ein Kribbeln in den Händen, während seine Nägel sich in seine Handteller bohrten, und er malte sich eine parallele, ganz und gar nicht ferne Wirklichkeit aus, in der ersich über den Tisch beugte und anfing, Costello mit seinen Fäusten zu bearbeiten.
    Nur gut, dass Abdallah gerade diesen Augenblick wählte, um an die Glasscheibe zu klopfen.
    »Er lügt nicht«, sagte Abdallah.
    »Du meinst, dieses Leben ist wirklich nur ein Traum?«, sagte Samir. »Darf ich dann reich sein, wenn ich wieder aufwache?«
    »Die Geschichte ist selbstverständlich Blödsinn. Aber den Messgeräten zufolge glaubt er an das, was er sagt.«
    »Du hast mich da rausgeholt, um mir zu sagen, dass der Mann verrückt ist?«, sagte Mustafa, noch immer rot vor Wut. »Das war mir bereits bekannt, herzlichen Dank.«
    »Das war nicht ich«, sagte Abdallah. Er zeigte mit dem Daumen auf Amal.
    »Umm Dabir hat von Faruks Büro aus angerufen«, erklärte Amal. »Sie sagte, Faruk würde gerade mit Riad telefonieren. Sie meinte, du hättest ihr gesagt, sie sollte sich melden, wenn es das nächste Mal wieder während einer Vernehmung passierte.«
    Sieben Mal war Mustafas Vernehmung von Terrorverdächtigen im Laufe der letzten zwei Jahre durch einen offiziellen Anruf aus Riad mit dem Befehl unterbrochen worden, die Befragung augenblicklich einzustellen; und jedes Mal waren kurz darauf hochrangige AHS-Beamte erschienen, um den Häftling »an einen besonderen Unterbringungsort« zu bringen. Lange hatte er sich kaum etwas dabei gedacht.
    Dann, etwa einen Monat zuvor, hatte Mustafa versucht, ein paar weitere Nachforschungen über einen dieser besonderen Häftlinge anzustellen – einen französischen Schmuggler namens René Arceneau –, und festgestellt, dass die Akte über seine Festnahme verschwunden war. Sein Name war aus den Datenbanken gelöscht worden, und zwar nicht nur denen des AHS, sondern aus allen. Die Einwanderungsbehörde, das »Büro«, die maghrebinische Sektion der Halal-Behörde, selbst das algerische Kfz-Meldeamt – allesamt an der Festnahme Arceneaus beteiligt – behaupteten jetzt, keinerlei Unterlagen über ihn zu besitzen.
    Das war noch nie da gewesen. Selbst in Fällen von außerordentlicher Auslieferung, wo Gefangene nach Übersee verfrachtet wurden, um in einem menschenrechtsfreien Raum wie Texas verhört zu werden, bestritt die arabische Regierung nicht, dass sich die Betreffenden in Haft befanden, sie log lediglich in Bezug darauf, was mit ihnen geschah. Mustafa fragte sich, was so schlimm sein konnte, dass der Staat sich gezwungen sah, sogar jede Spur der Existenz eines Menschen auszutilgen.
    Was ihn ebenfalls wunderte, war die Tatsache, dass ihn das Ganze überhaupt so sehr beschäftigte. Es war ja nicht so, als ob er nicht schon gewusst hätte, dass »besonderer Unterbringungsort« ein Euphemismus für eine Foltereinrichtung war. Und billigt man erst einmal, dass ein Mensch unter Drogen gesetzt, ausgehungert, geschlagen, an den Handgelenken aufgehängt, unterkühlt, fast erstickt, fast ertränkt, mit Stromschlägen traktiert und unter vollkommenem Reizentzug gehalten wird, bis seine Psyche zerbricht –, warum sollte einem dann der Gedanke noch etwas ausmachen, dass er zuletzt möglicherweise auch noch ermordet, und, einmal ermordet, vollkommen ausgelöscht wird?
    Vielleicht lag es nur am Zeitpunkt. An dem Tag, an dem Mustafa erfuhr, dass René Arceneau zu einer Unperson geworden war, hatte er auch Fadwas Totenschein erhalten.
    Wir verschließen unsere Augen vor der Sünde, doch Gott sieht alles.
    Mustafas nächster Versuch, mehr über Arceneaus Schicksal in Erfahrung zu bringen, hatte eine einzige Information zutage gefördert: Der Befehl, Arceneau unter Sonderverwahrung zu stellen, war nicht vom Heimatschutzministerium gekommen, sondern vom Kongress, vom Büro des Chefsdes Geheimdienstausschusses des Senats. Mustafa erfuhr dies von Faruk, der ihn gewarnt hatte, nicht mehr an Türen zu rütteln, die ihn nichts angingen.
    Dass die Warnung nichts gefruchtet hatte, bewies zweifelsfrei, dass Faruk damit recht hatte, sich um seine psychische Gesundheit zu sorgen. Wer ist der gefährlichere Gegner – ein Selbstmordattentäter oder ein Senator? Eindeutig Letzterer: Ein Selbstmordattentäter hat eine einzige Möglichkeit, einen zu vernichten.
    »Mustafa?«, sagte Amal. »Was ist los?«
    »Das ist eine sehr gute Frage«, erwiderte Mustafa. »Wer ist eigentlich für die

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