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Mirage: Roman (German Edition)

Mirage: Roman (German Edition)

Titel: Mirage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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Hochhäusern, die eine staubige Sackgasse umgaben. Als Samir und Amal eintrafen, war es schon nach zehn Uhr nachts, aber eine Gruppe von Jungen spielte noch Fußball auf der Straße. Vor Costellos Gebäude parkten zwei Streifenwagen, und ein Polizist stand, eine Zigarette rauchend, an den Kofferraum des einen gelehnt und verfolgte das Spiel.
    Samir hielt neben den Streifenwagen, und er und Amal stiegen aus und zeigten ihre Dienstausweise. »Sind unsere Kollegen drinnen?«
    »Nein«, antwortete der Polizist. »Sie sind vor zwanzig Minuten abgezogen. Sie meinten, sie wären fertig.« Er sagte das in so vorwurfsvollem Ton, als brächen Samir und Amal ein Versprechen, indem sie so ganz ohne Vorwarnung aufkreuzten.
    »Was tut ihr also noch hier?«, wollte Samir wissen.
    »Die Räumlichkeiten sichern.«
    Nur zu vertraut mit den Sitten und Gebräuchen der Bagdader Polizei, schmunzelte Amal dazu.
    »Wir müssen in die Wohnung«, sagte Samir. »Führt ihr uns rauf, oder sollen wir einfach den Polizeipräsidenten anrufen?«
    »Einen Augenblick«, sagte der Polizist. Er entfernte sich ein paar Schritte und sprach schnell und leise in sein Funkgerät. Ein paar Minuten später erschien einer seiner Kollegen im Hausflur und machte ihnen die Tür auf.
    Zwei weitere Polizisten warteten auf dem Korridor vor Costellos Wohnung. An der Tür klebte ein Zettel mit einem Warnhinweis, und über der Ritze zwischen Tür und Türrahmen war ein rotes Siegel des Heimatschutzministeriums angebracht. Das Siegel war zerrissen.
    »›Die Räumlichkeiten sichern‹«, sagte Samir.
    Der erste Polizist, der sie im Fahrstuhl hinaufbegleitet hatte, zuckte bloß mit den Achseln. »Die meinten, sie wären hier fertig.«
    »Ja, und ihr seid hier jetzt ebenfalls fertig. Schließt uns die Tür auf und verpisst euch.«
    Durch Costellos Wohnzimmer war ein Wirbelsturm gezogen und hatte Polster von Sofa und Sesseln gerissen und die Regale leergefegt. Eine Plastik-Dattelpalme war aus ihrem Topf gerissen worden und lag jetzt auf dem Fußboden. Ein Holzkasten enthielt ein paar offene DVD-Hüllen, aber ein dazugehöriges Abspielgerät war nirgends zu sehen. Über dem Kasten waren zwei kräftige Metallklammern an die Wand gedübelt, die bis vor kurzer Zeit einen Flachbildfernseher gehalten hatten.
    Amal spähte durch eine Durchreiche in die kleine Küche. Der Wirbelsturm hatte auch dort gewütet, hatte Schränke geöffnet und Konservendosen und Schachteln zu Boden geworfen. »Die Mikrowelle war wohl nicht wert, mitgenommen zu werden … Also, wonach suchen wir?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Samir. »Aber wenn wir einen zweiten Plasma-TV finden, gehört der mir.«
    Im Schlafzimmer hing ein Holzkreuz an der Wand. Samir überprüfte den Wandschrank, fand darin lediglich ein paar Hemden und einen abgetragenen Anzug. Amal spähte unters Bett und nahm sich dann die Kommode vor. Der Inhalt war schon durchwühlt worden, aber sie zog jede Schublade einzeln heraus für den Fall, dass an der Rück- oder der Unterseite etwas festgeklebt war.
    Samir ging ans Fenster. Auf dem Brett und auf dem Fußboden darunter lagen mehrere Taschenbücher verstreut herum. Die Titel waren auf Englisch und Deutsch, was Samir beides nicht beherrschte, aber er erkannte einige der Umschläge. Außer der Bibel und etwas, das eine Art Katechismus zu sein schien, gab es mehrere Bände der Reihe ›Finale – Die letzten Tage der Erde‹ sowie eine Neuauflage von Martin Luthers polemischer Schrift von 1543 ›Von den Juden und ihren Lügen‹.
    »Hier ist nichts«, sagte Amal. »Was hast du gefunden?«
    »Typische christliche Hassliteratur. Keine geheimen Blaupausen zwischen den Seiten versteckt.«
    Als Nächstes durchsuchten sie das Badezimmer. Während Amal am Spiegel über dem Waschbecken zog, überprüfte Samir den Spülkasten. Doch der Deckel lag schief auf, und was immer für illegale Substanzen sich im Kasten befunden haben mochten, waren sie schon von der Polizei oder den Bundesagenten, die vor ihnen da gewesen waren, mitgenommen worden.
    »Hey«, sagte Amal. »Ich brauche hier jemand Großes.«
    Direkt über der oberen Kante des Spiegels waren zwei Schnapper versteckt; als Samir daraufdrückte, klappte der Spiegel nach vorn und gab ein Loch in der Wand frei. Im Loch befanden sich eine Pistole, ein dickes Bündel Rialnoten, eine Flasche Whisky und eine zerknitterte Zeitung in einer Zellophanhülle. »Eins dieser Dinge passt nicht zum Rest«, sagte Samir.
    Sie falteten die Zeitung auseinander. Der

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