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Mirage: Roman (German Edition)

Mirage: Roman (German Edition)

Titel: Mirage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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als sie sich gerade zu ihrem Hausbesuch bei Umm Isa fertig machte, »du weißt, dass ich nie aufhören werde, darum zu beten, dass du doch noch ein Kind empfangen kannst, aber wenn … wenn es doch nicht geschieht, werden wir …«
    Sie sah ihn an, als wäre er der Götzenanbeter – oder Gotteslästerer. »Wie wagst du es, so etwas zu sagen! Wie wagst du es, so etwas zu sagen! Gott kann alles!«
    »Gott kann alles«, pflichtete Mustafa ihr bei. »Er kann auch Nein sagen. Falls Er es tut …«
    Doch Fadwa wollte davon nichts hören.
    Mustafa ging zu seinem Vater. Als Einziger in der ganzen Verwandtschaft hatte Abu Mustafa bislang darauf verzichtet, Ratschläge beizusteuern, doch jetzt stellte ihm Mustafa die Frage, der Fadwa sich einfach nicht stellen wollte: »Was, wenn nichts hilft? Was, wenn wir einfach keine Kinder haben können?«
    »Liebst du sie?«, fragte Abu Mustafa.
    »Ja«, sagte Mustafa.
    »Und wie wirst du dich fühlen, wenn du niemals Vater werden kannst?«
    Darüber musste Mustafa nachdenken. Seit dem anfänglichen Schock wegen der Diagnose hatte er sich so sehr darauf konzentriert, Fadwa zu beruhigen, dass er sich seiner eigenen Gefühle nicht mehr sicher war. »Wenn das geschieht, werde ich enttäuscht sein«, sagte er endlich. »Vielleicht enttäuschter, als ich es mir jetzt vorstellen kann. Aber ich glaube fest daran, dass ich es lernen könnte, mit einer solchen Enttäuschung zu leben. Was mir Sorgen macht, ist Fadwa. Ich weiß nicht, ob sie jemals imstande sein wird, es zu akzeptieren. Oder darauf zu vertrauen, dass ich es akzeptiert habe.«
    »Eine Ehe ohne Vertrauen ist eine gescheiterte Ehe«, sagte Abu Mustafa. »Dafür gibt es eine einfache Lösung.«
    »Nein.« Mustafa schüttelte den Kopf. »Eine Scheidung würde sie zerschmettern. Sie vielleicht sogar töten. Das kommt nicht in Frage.«
    Abu Mustafa lächelte traurig. »Was willst du dann überhaupt von mir hören? Wie man mit einer Frau zusammenlebt, die niemals zufrieden ist? Willst du meine fachmännische Meinung darüber hören?«
    »Vater«, sagte Mustafa beschämt. »Ich meinte nicht …«
    »Nein, es ist schon in Ordnung. Meine Antwort ist simpel genug: Sei lieb.«
    Mustafa runzelte die Stirn. Er hatte auf etwas Detaillierteres gehofft. »Lieb sein … Das ist alles?«
    »Wenn du es durchgehend, konsequent schaffst, wirst du ein besserer Ehemann sein, als ich es gewesen bin«, sagte sein Vater. »Und, Mustafa? Wenn du es nicht schaffen solltest, lieb zu sein, dann sei ehrlich. Je eher, desto besser.«
    Er tat, was er konnte. Er machte widerspruchslos bei jedem empfängnisfördernden Diät- oder sonstigen Plan mit, den Fadwa vorschlug, wie aussichtslos oder absurd er ihm auch erscheinen mochte. Er übte sich in Geduld, behielt seine eigenen Frustrationen für sich und versuchte, sich nicht in Diskussionen verwickeln zu lassen. Aber schonhier war er nicht ehrlich, und das Problem wurde nur noch schlimmer.
    Um das Geld für die experimentellen Fruchtbarkeitsbehandlungen (allesamt wirkungslos und eine teurer als die andere) aufzubringen, begann Mustafa, sich um Zusatzaufträge zu bemühen, so viele Überstunden wie irgend möglich zu machen. Das bedeutete, dass er seltener zu Haus war, was Fadwa ihm vernünftigerweise nicht hätte vorwerfen können. Sie tat es trotzdem, behauptete, Mustafa würde vor ihr weglaufen, was er jedes Mal bestritt.
    Seine Beteuerungen waren keine Lügen, zumindest keine richtigen. Ja, es gab schon Zeiten, wo er das Bedürfnis hatte, von ihr wegzukommen, aber sein eigentliches Ziel war nicht Flucht, sondern Erneuerung. Wie unglücklich seine Ehe auch sein mochte, in seiner Arbeit fand er weiterhin Erfüllung. Es war nicht mehr so einfach wie am Anfang – wie viele Drogenkrieger vor ihm hatte Mustafa angefangen, die Prohibition mit zynischen Augen zu betrachten –, aber einen Schurken zur Strecke zu bringen, einen Unschuldigen zu rächen (oder seltener, zu retten): Solche Dinge verschafften ihm noch immer eine elektrisierende Befriedigung, das Gefühl, dass er, auf seine eigene, bescheidene Weise, zu Gottes Plan beitrug. Manchmal war dieses Gefühl rechtschaffener Befriedigung ansteckend: Er kam nach einem besonders guten Tag heim, und Fadwa lächelte und lachte und war fast wieder die Alte.
    Diese Augenblicke der Gnade hielten aber nie lange vor, und auf lange Sicht war die Vorstellung, die Freuden der einen Lebenssphäre könnten die Mängel der anderen aufwiegen, wahrscheinlich eher kontraproduktiv. Aber

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