Mirage: Roman (German Edition)
hatte der mittleren Hierarchie der Baath angehört und eine Kette von Rattenkellern sowie ein halblegales Nachtlokal in Rustafa geleitet. An dem fraglichen Abend hatte er seinen Wagen für eine Stunde, während er essen ging, im Parkverbot stehen lassen; als er zurückkehrte, erwartete ihn ein Strafzettel hinter dem Scheibenwischer und ein Überraschungspaket an seiner Zündung.
Mustafa setzte gerade Fadwa vor der Umm-Isa-Kirche ab, als der Anruf kam. »Ein Mord«, sagte er zu Fadwa. »Es wird heute Abend spät werden. Kannst du …«
»Ich werde schon bei irgendwem mitfahren.« Sie stieg aus, ohne ihm einen Abschiedskuss zu geben.
Samir und ein Beamter von der Mordkommission namens Zagros waren bereits am Tatort. Eine Gruppe von Uniformierten der Bagdader Polizei stand am Absperrband, beäugte den Wagen – einen brandneuen Afrit Turbo – und diskutierte hitzig darüber, um wie viel die Leiche dessen Wiederverkaufswert mindern würde.
Mustafa war erstaunt zu sehen, dass das Fahrzeug völlig intakt war. »Ich dachte, du hättest was von einem Sprengsatz im Auto gesagt.«
»Habe ich auch«, sagte Samir. »Jemand hat den Luftsack in der Lenksäule durch einen Packen Kugeln und eine zusätzliche Treibladung ersetzt. Stell dir eine Schrotflinte vor.«
»Geschickt gemacht«, sagte Zagros, der neben der offenen Fahrertür kauerte. »Wie es aussieht, wurde die Birneder Innenbeleuchtung herausgeschraubt, damit er die Manipulation nicht bemerken konnte. Oder vielleicht hatte es auch den Sinn, dass er sich weiter vorbeugte, als er den Zündschlüssel hineinsteckte …«
»Was ist mit dem Strafzettel? Habt ihr den Beamten ausfindig gemacht, der ihn ausgestellt hat?«
Samir deutete auf einen der selbstgefälliger aussehenden Umstehenden. »Er behauptet, nichts Verdächtiges gesehen zu haben. Aber Wunder über Wunder, er kommt ebenfalls aus Tikrit. Wir lassen ihn gerade durch den Rechner laufen, um festzustellen, wie nah er mit Saddam verwandt ist. Und ob er schon mal in einer Autowerkstatt gearbeitet hat.«
»Hier ist die Brieftasche des Opfers«, sagte Zagros und stand auf. »Der Führerschein stimmt mit der Zulassung überein, aber um absolut sicher zu sein, werden wir noch die Fingerabdrücke überprüfen müssen.«
Im Geldscheinfach steckte ein Zettel mit einem Frauennamen und einer Telefonnummer. »Nur«, las Mustafa. Der Zettel roch leicht nach Parfüm. »Was glaubst du, eine Freundin?«
»Oder eine Prostituierte«, sagte Zagros.
»Ich erkenne den Anfang der Telefonnummer. Es ist der Campus der Uni Bagdad.«
»Na und? Hat eine Hure etwa kein Anrecht auf höhere Bildung? Das hier ist die Stadt der Zukunft, mein Freund.«
Mustafa wandte sich zu Samir. »Wir sollten uns die Adresse besorgen und uns mit ihr unterhalten.«
»Wozu?« Samir warf einen Blick über das Absperrband. »Zehn zu eins, dass unser Mörder hier ist.«
»Ja, und tausend zu eins, dass er nichts erzählt.«
»Du glaubst, das Mädchen schon?«
Nein, dachte Mustafa, aber das ist eine angenehmere Form der Zeitverschwendung. Und dauert länger. »Sei so nett.«
»Meine Mutter hatte auch so eine«, sagte Mustafa und nahm die Statuette der Bastet – eine schwarze Miezekatze mit einem Ankh am Halsband – vom Regal, auf dem sie thronte. »Sie war ein Mitbringsel von ihrer Hochzeitsreise.«
»Meine hat mir mein Vater geschenkt«, sagte Nur. »Er erzählte mir, er hätte sie aus Kleopatras Grab gestohlen.« Sie lächelte. »Ich war elf, als ich begriff, dass das Gold nur aufgemalt war.«
»Ihr Vater war Archäologe?«
»Amateur-Schatzsucher. Kein besonders erfolgreicher. Er holte mehr aus verlassenen Lagerschränken als aus antiken Gräbern raus.«
»Und Sie?«, sagte Mustafa, während er die Bastet auf ihr Bord zurückstellte. »Was studieren Sie?«
»Ah, nichts«, sagte Nur mit dem koketten Blick derjenigen, die ein unanständiges Geheimnis verrät. »Ich bin keine Studentin.«
»Nicht? Ich dachte, das hier wäre eine Studentenwohnung.«
»Ist es auch«, sagte Nur. »Eine solche Aussicht könnte ich mir sonst nicht leisten.« Die Wohnung – im vierten Stock ohne Fahrstuhl – bot einen ungehinderten Ausblick über den Fluss. Mustafa konnte die Zwillingstürme in der Ferne sehen, die sich dem Vollmond entgegenreckten. »Aber«, räumte Nur ein, »ich habe eine besondere Vereinbarung mit Umm Banat.«
»Ihrer Wirtin?« Mustafa rief sich das alte Weib ins Gedächtnis, das ihnen die Haustür aufgemacht hatte. Das Gebäude war
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