Mirage: Roman (German Edition)
Jh. v. d. chr. Ä.« gekritzelt. »Da, sehen Sie?«
»Ja, ich sehe. Es ist bloß – das sieht nicht so aus, wie man es mir beschrieben hat.«
Das Objekt, das Fawzi aus der Kiste herausgeholt hatte, war keine Terrakottavase, sondern eine plumpe Messingflasche von vielleicht fünfzig Zentimetern Höhe. Das Gefäß war eine abgeflachte Kugel mit einem langen, sich verjüngenden Hals; die Oberfläche war, mit keinerlei Ornamenten oder Mustern verziert, narbig und angelaufen, über und über mit Dreck verkrustet – außer an einer kleinen Stelle, wo jemand versucht hatte, sie sauber zu reiben, und einen blanken Fleck von der Größe einer Halb-Rial-Münze freigelegt hatte. Die Flasche war offen und leer. Es fiel Amal schwer, sich vorzustellen, wie sie als Batterie funktionieren sollte.
»Sie sind sicher, dass dies das einzige Objekt war?«, sagte sie. »Es gab keine anderen Kisten?«
Fawzi lachte schnaubend. »Ich hoffe, Sie deuten nicht an, dass ich versuchen würde, Sie zu betrügen.«
Aber woher denn, dachte Amal. Sie hätte sich am liebstenmit Mustafa beraten, wusste aber, dass dies ihre Maskerade gefährden konnte.
Doch dann meldete sich Mustafa von sich aus zu Wort: »Gab es einen Stöpsel?«
»Was?«, sagte Fawzi. Amal drehte sich um. Mustafa starrte die Flasche mit hypnotischer Intensität an; er lehnte sich außerdem mit seinem ganzen Gewicht auf die Rückenlehne von Amals Sessel, wie um nicht umzufallen.
»War die Flasche versiegelt?«, sagte Mustafa. »War irgendetwas drin?«
»Drin?« Wieder schnaubte Fawzi. »Was denn zum Beispiel, Whisky?«
Mustafa gab keine Antwort, aber nach einem Moment sah er Amal an und nickte entschieden.
»Nun gut«, sagte Amal. »Reden wir jetzt über den Preis …«
Doch jetzt war es Fawzi, der die Stirn runzelte. »Entschuldigen Sie, ich bin etwas verwirrt«, sagte er. »Ich dachte, ich würde mit Ihnen verhandeln.«
»Das tun Sie auch«, sagte Amal.
»Und dieser Mann? Ihr Leibwächter? Ist er nebenbei auch Fachmann für Antiquitäten?«
»Zufällig ja.«
»Nein.« Fawzi schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube nicht. Ich glaube auch nicht, dass er ein Leibwächter ist. Er sieht zugedröhnt aus. Und der da«, er wandte sich zu Samir, »der da sieht ängstlich aus.« Jetzt richtete er seine Aufmerksamkeit auf Iyad, sagte nichts, starrte ihn nur an, dann richtete er die Augen wieder auf Mustafa, als ihm die Familienähnlichkeit auffiel. »Was läuft hier eigentlich?«
»Wir schließen ein Geschäft ab, das läuft hier«, sagte Amal. »Kommen Sie, Fawzi al-Walid – was für haltlose Unterstellungen bezüglich meiner Männer Ihnen auch immer auf der Zunge liegen mögen: Sie wissen, wer ich bin. Und ich bin bereit, Ihren Preis zu zahlen, also …«
»Wir wollen nichts überstürzen«, sagte Fawzi und lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Unterhalten wir uns doch noch ein bisschen – vielleicht darüber, warum Sie sich wirklich für dieses Objekt interessieren.«
Die Treppe endete an der Rückseite des Lagerraums. Die Kommandokämpfer überraschten dort ein weiteres Bandenmitglied, töteten es und versteckten seine Leiche. Wieder standen sie still und horchten. Der Anführer schickte drei seiner Männer los, damit sie außen herum zur Werkstatt vorstießen, während er selbst und zwei andere das Regallabyrinth betraten. Sie folgten dem Geräusch der Stimmen, bis sie sich direkt außerhalb des Allerheiligsten befanden, lediglich von einem Meter Kartons vom Sessel getrennt, in dem Fawzi saß. Zu ihrer Linken hatte man eine Lücke zwischen den Regalen gelassen, und durch die konnten sie Shadi sehen, wie er sich auf sein AK-47 stützte.
Der Kommandoführer schulterte seine Waffe und holte eine Blendgranate hervor. Es erfolgte ein abschließender Austausch von Handzeichen. Der Anführer entsicherte die Granate, und gerade als er zum Wurf ausholte, kam ein wild dreinblickender Junge, eine Maschinenpistole, die er einem Toten abgenommen hatte, im Anschlag, hinter ihm um die Regale geschossen. Einer der übrigen Kommandokämpfer sah den Jungen kommen und gab einen Schuss auf ihn ab, aber der Junge stolperte über seine eigenen Schnürsenkel, und die Kugel streifte ihn lediglich am Ohr. Dann schrie der Junge: »As-Sadr!«, und eröffnete das Feuer.
Das Magazin der Maschinenpistole fasste dreißig Schuss. Sechsundzwanzig trafen nichts von Belang; drei schlugen in den Kämpfer ein, der gerade geschossen hatte, und töteten ihn; und einer erwischte den Kommandoführer an
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