Miranda - so stolz und so süß (German Edition)
alle Leute bekämen meinetwegen Kopfschmerzen.”
Mit größter Mühe nahm Miranda sich zusammen. “Ja, ja, es geht mir gut. Es tut mir leid, dass ich abgelenkt war. Ich habe nur gedacht, Leo sei ein Stadtmensch. Wissen Sie, warum er nach Ormiston kommt?”
“Oh, Sie irren sich sehr. Er liebt das Land. Wissen Sie, er ist ein sehr guter Reiter. Und was den Grund für seinen Aufenthalt in Ormiston angeht, so habe ich angenommen, er wolle Sie besuchen, um sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass Sie hier gut untergebracht sind. Er ist immer so stolz darauf, dass er alles tut, was ein Mann seines Standes tun sollte.”
Es war genau so, wie Miranda das befürchtet hatte. Er kam, um sie zu sehen. Genauer gesagt, um die “dekadente Gräfin” zu sehen. Was sollte sie jetzt tun?
Sophie hatte weitergeplappert. “Wahrscheinlich wünschen Sie mich zum Teufel, Mrs Fitzgibbon. Jack sagt, ich sei wie ein Wirbelwind und würde überall Chaos veranstalten.”
Ungeachtet all der schrecklichen Neuigkeiten, die sie in der vergangenen halben Stunde gehört hatte, war Miranda stolz darauf, über Miss Lethbridges letzte Bemerkung lachen zu können. “Richten Sie ihm aus, ich hätte mich sehr über Ihren Besuch gefreut.”
Ohne zu überlegen beugte Sophie sich vor. “Sie sind so viel jünger, als ich gedacht habe. Vielleicht können wir Freundinnen werden. Wissen Sie, ich bin schon eine alte Jungfer, und Sie sind Witwe. Wir könnten uns Gesellschaft leisten.”
Miranda lachte hemmungslos. “Sie halten sich für eine alte Jungfer? Sie sind sehr hübsch. Ich glaube keinen Moment lang, dass Sie keine Chancen mehr haben. Sind die Männer hier in Somerset blind oder dumm? Wahrscheinlich sind sie blind und dumm.”
Sophie errötete. “Oh nein! Ich war eine Saison lang in London und habe damit nichts erreicht. Mein Vater sagt, es reiche ihm, ein Mal Geld zu verschwenden. Und da ich keinen Erfolg hatte und auch keinen reichen Mann bekommen habe, bleibe ich zu Haus. Doch das stört mich nicht.”
Miss Lethbridge wirkte nicht sehr glücklich. Miranda fragte sich, ob Miss Lethbridges Vater zu den Männern gehörte, die ihre einzige Tochter daran hinderten, das Glück ihres Lebens zu finden, und es vorzogen, sie als Wirtschafterin bei sich zu behalten.
“Ich bin sicher, dass wir Freundinnen werden”, erwiderte sie herzlich. “Sie können mich beim Vornamen nennen. Werden Sie mich bald wieder aufsuchen, Miss Sophie?”
“Ja”, antwortete Sophie, und man verabschiedete sich.
Miranda hatte das Bedürfnis nach Bewegung in frischer Luft. Sie holte ihren Mantel und brach zu dem Wäldchen am Fuß einer steilen, in nördlicher Richtung gelegenen Anhöhe auf. Der Spaziergang besserte ihre Stimmung und nahm ihr die Niedergeschlagenheit. Als sie die Kuppe erreicht hatte, stellte sie unerwartet fest, dass sie meilenweit in alle Himmelsrichtungen sehen konnte. Einen Moment lang betrachtete sie “The Grange” und überlegte, wie es damals nach Vollendung des Baus ausgesehen und wer darin gewohnt haben mochte. Natürlich waren die Bewohner Fitzgibbons gewesen. Aber waren sie so nett und umgänglich wie Julian gewesen, oder so gefährlich und einschüchternd wie Leo?
Das Dorf war eine Ansammlung von kleinen Cottages. In der Ferne sah man einige größere Häuser, aber Miranda konnte, obwohl sie sich anstrengte, nicht herausfinden, welches von ihnen der Landsitz der Fitzgibbons sein mochte. Miss Lethbridge hatte gesagt, das Anwesen sei sehr groß.
War Leo schon eingetroffen? Im gleichen Augenblick, als Miranda sich diese Frage stellte, nahm sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr, blickte zur Landstraße und sah einen Reiter sich “The Grange” nähern. Selbst auf die Entfernung hin kam er ihr vertraut vor.
Das Herz klopfte ihr schneller. Noch nicht! Noch konnte sie Leo nicht entgegentreten!
Plötzlich überlief sie ein Hitzeschauer, und sie presste die Hand auf den Mund, um nicht laut aufzuschreien. Der Reiter hatte “The Grange” erreicht, saß ab und ging zur Haustür. Ein Weilchen war er im Haus verschwunden. Dann kam er heraus, und seine Silhouette zeichnete sich vor der weißen Fassade ab. Er schaute zum Wäldchen und dem Hügel, auf dem Miranda stand. Sie hielt den Atem an, als könne sie sich dadurch unsichtbar machen. Zitternd und wartend stand sie da und empfand die widersprüchlichsten Gefühle. Einerseits wollte sie, dass Leo sich wieder auf seinen Braunen schwang und fortritt. Andererseits sehnte sie sich
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